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Am 21.06.2012 ist die EU-Verordnung („Rom III“) in Kraft getreten, die regelt, welches Recht im Falle einer Ehescheidung in Fällen mit Auslandsbezug zur Anwendung kommt. Diese Verordnung gilt u.a. in Deutschland, wodurch die Möglichkeit eröffnet wird, eine Rechtswahl zu treffen.

Haben die Ehegatten keine einvernehmliche Rechtswahl getroffen, unterliegt ihre Scheidung dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Haben sie keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt mehr, kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, es sei denn, beide Partner haben den gewöhnlichen Aufenthalt an diesem Ort aufgegeben oder ein Partner hat dies vor mehr als einem Jahr getan.

Dann kommt das Recht des Staates zum Zuge, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen. Haben sie keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, so gilt das Recht des Staates des angerufenen Gerichts.

Problematisch können allerdings solche Fälle sein, bei denen die Beteiligten vor dem Inkrafttreten der Rom III-Verordnung geheiratet hatten und keine deutsche Staatsangehörigkeit besaßen. Allerdings kann auch in diesem Falle deutsches Scheidungsrecht einschlägig sein, nämlich dann, wenn die Beteiligten unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention  vom 28.06.1951 stehen.

Sofern etwa syrische Staatsangehörige durch die Genfer Flüchtlingskonvention geschützt sind ist deutsches Ehescheidungsrecht anzuwenden, so dass auch das Unterhaltsrecht und Güterrecht nach dem BGB in Betracht kommen.

Sofern dagegen die Beteiligten des Ehescheidungsverfahrens nicht als Asylbewerber oder Flüchtling anerkannt wurden, findet auf das Ehescheidungsverfahren und das Güterrecht das syrische Recht Anwendung (vgl. AG Otterndorf, Beschluss vom 28.09.2011, Az. 7 F 226/11 S).

Gem. Art. 1 lit. A Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will“.

Es entspricht auch allgemeiner verwaltungsrechtlicher Rechtsprechung, dass eine Flüchtlingseigenschaft für syrische Staatsangehörigen nicht ohne Weiters angenommen werden kann, sondern nur dann, wenn besondere risikoerhöhende individuelle Umstände gegeben sind, die für eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus den Gründen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG sprechen. Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus dem Gesichtspunkt der Sippenhaft oder Reflexverfolgung besteht grundsätzlich auch nicht für nahe Familienangehörige von Jesiden, selbst wenn diese politisch engagiert gewesen sein sollten. Aus diesem Grunde ist eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für syrische Staatsangehörige generell gerade nicht anzunehmen (vgl. u. a. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.05.2023, Az. 2 LB 444/19; OVG Münster, Urteil vom 16.07.2024, Az. 14 A 2847/19.A, OVG Brandenburg, Urteil vom 13.02.2024, Az. 3 B 22/23; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof; Urteil vom 11.01.2024; 21 B 19.33072; mit jeweils weiteren Nachweisen, juris).

Ohne Hinzutreten besonderer risikoerhöhende individueller Umstände erfolgt eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus Gründen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG für Syrer auch nicht aus der Zugehörigkeit zu einer etwaigen Risikogruppe. Insbesondere ist eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus dem Gesichtspunkt der Sippenhaft oder Reflexverfolgung auch nicht für nahe Familienangehörige anzunehmen (OVG Lüneburg, Ausländerrecht 2023, 333).

Voraussetzung für eine Anwendung der Flüchtlingskonvention ist im Übrigen, dass eine beiderseitige Flüchtlingseigenschaft der Beteiligten gegeben ist (vgl. Staudinger/Mankowski, BGB, Artikel 14 EGBGB, Rn. 33; BGH, FamRZ 2007, 31 ff.).

Durch den BGH wurde im Übrigen in der Entscheidung vom 11.10.2006, Az. XII ZR 79/04, eine Flüchtlingseigenschaft angenommen, da eine der Beteiligten deutliche Suizidtendenzen aufwies, da sie im Falle ihrer Abschiebung nach Syrien mit ihrer sicheren Inhaftierung rechnete. Der BGH forderte ferner, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass beide Parteien ihr Heimatland aus Furcht vor politischer und religiöser Verfolgung verlassen haben.

Insoweit ist es Sache der nationalen Gerichte, das Bestehen einer Gefahr, durch die eine Flüchtlingseigenschaft begründet wird, auf der Grundlage einer individuellen Betrachtung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen (EuGH, Urteil vom 05.10.2023, Az. C-294/22-juris).