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Die Frist zur Ausschlagung des Erbes beginnt erst dann zu laufen, wenn der Erbe nicht nur Kenntnis vom Erbfall, sondern auch von dem konkreten einschlägigen Berufungsgrund (Gesetz, letztwillige Verfügung oder Erbvertrag) hat.

Nach § 1944 Abs. 1 BGB kann die Ausschlagung allerdings nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 1944 Abs. 2 BGB erst mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. Allgemein setzt Kenntnis ein zuverlässiges Erfahren der in Betracht kommenden Umstände voraus, aufgrund dessen ein Handeln erwartet werden kann.

Entscheidend ist mithin die Kenntnis vom Grunde der Berufung. Es ist allgemeine Meinung, dass der Erbe Kenntnis von dem konkreten einschlägigen Berufungsgrund (Gesetz, letztwillige Verfügung oder Erbvertrag) haben muss (MüKo/Leipold, BGB, 6. Aufl., § 1944 Rn. 3). Nach der Rechtsprechung gelten bei gesetzlicher Erbfolge folgende Grundsätze: Kenntnis vom Berufungsgrund ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn dem gesetzlichen Erben die Familienverhältnisse bekannt sind und er nach den Gesamtumständen keine begründete Vermutung haben kann oder hat, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden ist (BayObLG NJW 1953, 1431). Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls, also auf die Verhältnisse und die Persönlichkeit des fraglichen Erben und dessen subjektive Sicht an (BGH WM 1968, 542; OLG Rostock FamRZ 2010, 1597; OLG Zweibrücken NJW-RR 2006, 1594). So haben die Oberlandesgerichte Rostock und Zweibrücken in den vorgenannten Entscheidungen ausgeführt, dass dem Erben die Kenntnis von seiner Berufung fehlen kann, wenn die Bande innerhalb der Familie vor dem Erbfall längere Zeit abgerissen waren und er deshalb zu der Frage, ob der Erblasser ihn von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat, auf bloße Mutmaßungen ohne realen Hintergrund angewiesen ist. Dabei kann die abgerissene Familienbande es aus der Sicht des Erben nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Erblasser ihn durch letztwillige Verfügung ausschließen wollte und ausgeschlossen hat.

Abgerissene Familienbande können es aus der Sicht des Erben als mithin nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Erblasser ihn durch letztwillige Verfügung ausschließen wollte und ausgeschlossen hat (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Juni 2016 – 3 Wx 96/15 –, juris).