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Im Erbschaftsteuerrecht gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen. Hierdurch kann ggf. eine Erbschaftsteuerbelastung erheblich verringert werden.

Allerdings geht der Bundesfinanzhof davon aus, der ein zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschener Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerlich nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war (BFH, Urteil vom 5. Februar 2020 – II R 1/16 –, BFHE 267, 500, BStBl. II 2020, 581).

Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten, erlöschen durch den Tod des Pflichtteilsverpflichteten –zivilrechtlich betrachtet– sowohl dessen Verbindlichkeit als auch der Pflichtteilsanspruch durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person (sogenannte „Konfusion“).

Im Erbschaftsteuerrecht hingegen gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs als Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten nachzuholen.

Gibt der Pflichtteilsberechtigte dem zuständigen Finanzamt gegenüber eine entsprechende Erklärung ab, hat es diese zu berücksichtigen und sowohl hinsichtlich der Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteils gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG als auch hinsichtlich des Abzugs der Pflichtteilsschuld als Nachlassverbindlichkeit die sich hieraus unter Berücksichtigung der jeweils maßgebenden Freibeträge ergebenden steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen.

Dem bloßen Entstehen des Pflichtteilsanspruchs kommt mithin erbschaftsteuerrechtlich weder für den Abzug als Nachlassverbindlichkeit noch für die Besteuerung Bedeutung zu. Dies ändert sich erst mit dessen Geltendmachung. Ist zu diesem Zeitpunkt der durch Konfusion zivilrechtlich erloschene Pflichtteilsanspruch bereits verjährt, können aus der Geltendmachung nachträglich nicht die erbschaftsteuerrechtlichen Folgen gezogen werden. Zwar hindert zivilrechtlich die Verjährung einer Forderung grundsätzlich nicht deren Geltendmachung, denn die Forderung ist nur dauerhaft mit der Einrede der Verjährung behaftet; der Schuldner ist berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 BGB). Dies gilt jedoch nicht für den durch Konfusion erloschenen Pflichtteilsanspruch. § 10 Abs. 3 ErbStG lässt den Pflichtteilsanspruch für Zwecke der Erbschaftsteuer zunächst (fiktiv) fortbestehen, begründet jedoch kein Recht des Pflichtteilsberechtigten, den Anspruch auch noch nach Eintritt der Verjährung fiktiv gegen sich selbst geltend zu machen. Anderenfalls würde allein aufgrund der Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG die Funktion der Verjährung, Rechtsfrieden herbeizuführen, insoweit aufgehoben. Der Erbe könnte zeitlich unbefristet jederzeit seinen zivilrechtlich erloschenen Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit mit Rückwirkung gegen sich selbst geltend machen. Das ist vom Regelungsgehalt des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht umfasst.