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Durch das LG Dessau wurde mit Urteil vom 30. Oktober 2014 (Az. 2 O 197/12) entschieden, dass im Rahmen der Verpflichtung zur Ermittlung eines auskömmlichen Versicherungswertes es nicht ausreicht, wenn der Versicherungsmakler den Listenpreis für einen zu versichernden Radlader durch den Versicherungsnehmer bei dessen Verkäuferin telefonisch erfragen lässt. Vielmehr hat der Versicherungsmakler darüber aufzuklären, was unter dem Listenpreis nach den geltenden Versicherungsbedingungen im Einzelnen zu verstehen ist, insbesondere ob es sich um den Listenpreis des Herstellers, des Verkäufers oder um eine branchenübliche

Das Gericht setzte sich mit dem Schadensersatzanspruch wegen eines Beratungsverschuldens gemäß §§ 63 S. 1, 61 Abs. 1 VVG auseinander.

Die Beklagte war über einen Mitarbeiter, dessen schuldhaftes Verhalten sie sich nach § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen musste, als Versicherungsmaklerin im Sinne des § 59 Abs. 3 Satz 1 VVG tätig geworden, um dem Kläger eine Maschinenversicherung für seinen Radlader zu vermitteln, und schuldete ihm deshalb eine angemessene Beratung nach den Grundsätzen des § 61 Abs. 1 VVG.

Zu den Anforderungen an eine derartige Beratung seitens des Versicherungsmaklers, der anders als ein primär dem Versicherer verpflichteter Versicherungsvertreter in besonders herausragender Vertrauensposition für den Versicherungsnehmer als dessen Vertragspartner tätig wird, hat der BGH bereits in einem nach wie vor in der Sache maßgeblichen Urteil vom 22. Mai 1985 (Az.: Iva ZR 190/83, zitiert nach juris, Rdnr. 11) in grundlegender Weise wie folgt Stellung bezogen:

„Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz oder kurzfristig zu besorgen. Deshalb ist er, anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler, dem ihm durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen Versicherungsnehmer gegenüber üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet.

Dem entspricht, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für die ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das auch gegebene Risiko zu platzieren, unterrichten muss. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen Treuhänder ähnlich wie ein Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden.“

Der Versicherungsmakler schuldet dem Versicherungsnehmer danach die Beschaffung eines bestmöglichen Versicherungsschutzes, wobei zu seinen Pflichten insbesondere auch die Deckungsanalyse gehört, d.h. die Ermittlung der richtigen Versicherungsart und der bedarfsgerechten Versicherungssumme. Damit war die Beklagte im Rahmen der sie treffenden Beratungspflichten auch gehalten, einen auskömmlichen Versicherungswert als Neuwert im Sinne des hier einschlägigen § A5 Nr. 1 lit. a ABMG 2008 für den zu versichernden Radlader zu ermitteln.

Bei einer derartigen Ermittlung ist es dem Versicherungsmakler zwar auch gestattet, sich auf die eigenen Angaben des Versicherungsnehmers zu stützen und grundsätzlich auf deren Richtigkeit zu vertrauen. Er muss hierbei allerdings sichergehen, dass der Versicherungsnehmer die von ihm erfragten Umstände auch in ihrer speziellen versicherungsrechtlichen Bedeutung verstanden hat. Zudem hat er den Versicherungsnehmer über die Risiken und Konsequenzen einer ungenauen oder unzutreffenden Angabe für seinen Versicherungsschutz aufzuklären

Angesichts dessen war es für die Beklagte keinesfalls ausreichend, den Listenpreis durch den Kläger von der Verkäuferin telefonisch erfragen zu lassen. Vielmehr hätte sie den Kläger zunächst darüber aufklären müssen, was sich genau nach dem Regelungswerk der ABMG 2008 hinter dieser Bezeichnung im Einzelnen verbirgt, vor allem, ob es sich hierbei um den Listenpreis des Herstellers oder des Verkäufers handelt, oder womöglich, wie von der Streithelferin bei ihrer Abrechnung praktiziert, auf eine eigenständige, vom L-Verlag erstellte Preisliste abzustellen ist. Denn anderenfalls bestand auch aus Sicht des Mitarbeiters der Beklagten B offenkundig die Gefahr, dass bei dem – ohnedies nicht vor Missverständnissen gefeiten – Telefonat ein womöglich unzutreffender, nicht auskömmlicher Preis von der Verkäuferin in Erfahrung gebracht und dann entsprechend fehlerhaft dem Versicherungsantrag zugrunde gelegt wurde.

Unabhängig davon hätte es auch zu den Pflichten der Beklagten gehört, den Kläger über die besondere Bedeutung einer korrekten Angabe des Listenpreises für eine genügende Absicherung im Schadensfall und die Risiken gerade einer Unterversicherung aufzuklären, die hier gerade ein besonders hohes Maß an Aufklärung erforderte angesichts der hochgradig verschachtelten und schwer verständlichen versicherungsvertraglichen Regelung nicht nur in den Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen, sondern auch noch in der letzten wohl entscheidenden, maßgeblich auf die Verhältnisse im März 1971 rekurrierenden Nr. 4 der Klausel TV-TK 3507, wonach eine Unterversicherung nur besteht, „soweit zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Versicherungssumme nach dem Stand März 1971 Unterversicherung vorgelegen hätte“.

Hinzu kommt, dass die Beklagte, obwohl sie als Versicherungsvermittler nach § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG (in Verb,. Mit § 59 Abs. 1 und 3 Satz 1 VVG) die Pflicht traf, ihre Beratung in der Form des § 62 Abs. 1 VVG zu dokumentieren, ein entsprechendes Beratungsprotokoll nicht vorgelegt hat. Bei fehlender schriftlicher Dokumentation besteht allerdings schon aufgrund vorstehender Regelung eine gesetzlich begründete Vermutung dafür, dass eine Beratungstätigkeit nicht stattgefunden hat und damit eine Beratungspflicht verletzt worden ist. Verletzt der Versicherungsmakler, wie hier die Beklagte, die ihn aus dem Maklervertrag treffenden Beratungs- und Betreuungspflichten, so hat er dem Versicherungsnehmer nach § 63 Satz 1 VVG den dadurch entstehenden Schaden zu ersetzen. Das heißt, er hat den Versicherungsnehmer so zu stellen, wie dieser bei richtiger Beratung gestanden hätte, wobei zu vermuten ist, dass sich der Versicherungsnehmer bei zutreffender Beratung dem Abschluss einer auskömmlichen Versicherung trotz höherer damit verbundener Versicherungsp0rämien nicht verschlossen hätte.