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Ein Rückschnitt von Ästen durch den Nachbarn wird grds. von § 910 BGB erfasst, da die §§ 905 ff. BGB und die Nachbargesetze der Länder das nachbarrechtliche Verhältnis abschließend regeln.  Allerdings kann sich im Einzelfall aus den Grundsätzen von Treu und Glauben etwas anderes ergeben (OLG Brandenburg, Urteil vom 08.02.2018, Az. 5 U 109/16, juris).

Dementsprechend war in dem durch das OLG entschiedenen Fall der Nachbar nicht  aufgrund des in § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Selbsthilferechts befugt, Zweige und Äste zurückzuschneiden.

Die zurückgeschnittenen Äste und Zweige waren in dem entschiedenen Fall in den Bereich des Grundstücks des Beklagten eingedrungen. Der Bereich des Grundstücks erstreckt sich gemäß § 905 BGB auch auf den Raum über der Oberfläche. Die Ausübung des Selbsthilferechts scheiterte auch nicht an der gemäß § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlichen Aufforderung zum Rückschnitt gegenüber dem Nachbarn unter Bestimmung einer angemessenen Frist.

Das Gericht ging weiter davon aus, dass die erforderliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Beklagten infolge der hinüberragenden Äste und Zweige gegeben war. Da es auf die genaue botanische Bezeichnung bei der Anwendung des § 910 BGB nicht ankommt (Staudinger/Roth, BGB (2016) § 910 Rz. 16), ist grundsätzlich auch der Rückschnitt von Ästen von § 910 BGB erfasst. Der Rückschnitt ist aber nach § 910 Abs. 2 BGB nur zulässig, wenn eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks gegeben ist. Die Beeinträchtigung muss gerade von dem Überhang ausgehen, der zurückgeschnitten werden soll.

Das Selbsthilferecht des Beklagten war hier aber aufgrund des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses im Hinblick auf den Überhang, der vom Baumbestand des Klägers ausgeht, eingeschränkt.

Die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und der Nachbargesetze der Länder regeln das nachbarliche Verhältnis grundsätzlich abschließend. Es kann sich nur im Ausnahmefall ergeben, dass unter Berücksichtigung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die gesetzlichen Befugnisse und Verpflichtungen Einschränkungen erfahren. Für den Nachbarn folgt daraus eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, wenn ein über die gesetzlichen Regelungen hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden (BGH NJW-RR 2003, 1313NJW 2003, 1392NJW-RR 2008, 610).