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Zumindest im Alltagsradverkehr führt das Nichttragen eines Helms nicht zu einem Mitverschulden des verletzten Radfahrers. Eine allgemeine Verkehrsauffassung, wonach Radfahren eine Tätigkeit darstellt, die generell derart gefährlich ist, dass sich nur derjenige verkehrsgerecht verhält, der einen Helm trägt, besteht nicht (OLG Nürnberg, Urteil vom 20. August 2020 – 13 U 1187/20 –, juris).

Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 17. Juni 2014 (VI ZR 281/13) angenommen, dass jedenfalls bis 2011 grundsätzlich kein Mitverschulden dadurch begründet werde, dass ein Radfahrer bei einem Unfall keinen Helm getragen habe.

Allein mit einem Verletzungsrisiko und der Kenntnis davon sei ein verkehrsgerechtes Verhalten nach Ansicht des BGH jedenfalls nicht begründen. Andernfalls müsste bei jeder Tätigkeit mit ähnlichem oder höheren Kopfverletzungsrisiko ein Mitverschulden bejaht werden, wenn der durch einen Sturz Geschädigte keinen Helm getragen hätte. Dies würde dann beispielsweise auch für das Besteigen von Haushaltsleitern gelten.

Auch der heutige Erkenntnisstand hinsichtlich der Möglichkeiten, dem Verletzungsrisiko durch Schutzmaßnahmen zu begegnen, rechtfertige noch nicht den Schluss, dass ein Radfahrer sich nur dann verkehrsgerecht verhält, wenn er einen Helm trägt.

Anlass für die Annahme eines Mitverschuldens durch das Nichttragen eines Schutzhelms könnte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dann vorliegen, wenn im Unfallzeitpunkt nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein das Tragen eines Helms beim Fahrradfahren zum eigenen Schutz erforderlich sei. Zu einem solchen allgemeinen Verkehrsbewusstsein, konkret bezogen auf das Tragen von Fahrradhelmen und nicht auf allgemeine Sicherheitserwägungen, wurde in dem von dem Gericht entschiedenen Fall nicht substantiiert vorgetragen.

Im Übrigen wies das OLG Nürnberg darauf hin, dass auch gerichtsbekannt sei, dass ein derartiges allgemeines Verkehrsbewusstsein nach wie vor nicht bestehe. 

Allerdings sind Verkehrsanschauungen einem ständigen Wandel unterworfen. Aus diesem Grunde mag bereits in einigen Jahren das Nichttragen eines Fahrradhelmes auch ohne gesetzliche Regelung im Falle der Körperverletzung eines Fahrradfahrers den Einwand des Mitverschuldens begründen.