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Der Wirksamkeit einer Zustellung im Ausland nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG (hier: in Polen) steht nicht der Umstand entgegen, dass der Postmitarbeiter die Sendung nicht dem Adressaten persönlich, sondern dessen Ehefrau übergeben hat (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 05. Dezember 2018 – 4 K 1008/14 -, juris).

Eine Erklärung, die ein Empfangsbote entgegennimmt, geht dem Adressaten in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu erwarten war. Übermittelt der Empfangsbote die Erklärung verspätet, falsch oder überhaupt nicht, so geht das zu Lasten des Empfängers.

Im hier einschlägigen Fall einer Zustellung im Ausland erfolgte die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein, da die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig war, § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG; zum Nachweis der Zustellung genügte der Rückschein, § 9 Abs. 2 Satz 1 VwZG. Diese Zustellungsart hatte das Hauptzollamt im vorliegenden Fall gewählt. Die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post war im Streitfall auch völkerrechtlich zulässig. Die Republik Polen toleriert eine Zustellung deutscher Bescheide durch Einschreiben mit Rückschein. Ausweislich des internationalen Rückscheins wurde die Sendung mit dem verfahrensgegenständlichen Steuerbescheid unter der polnischen Wohnanschrift des Klägers an dessen Ehefrau übergeben. Diese im Rückschein beurkundete Übergabe an seine Ehefrau hatte der Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt. Er ließ zwar pauschal vorbringen, die an seine polnische Wohnanschrift versandten Bescheide habe er „nicht erhalten“, führte aber in der Folge weiter aus, dass der Rückschein nicht von ihm unterschrieben sei, sondern „lediglich – unstreitig – die Unterschriften Dritter“ trage, und dass diese als „Dritte“ bezeichneten Personen – wozu er offenbar auch seine in der Wohnung anwesende Ehefrau zählt, welcher die Postsendung übergeben worden ist – seien „nicht empfangsbevollmächtigt“, weshalb die Übergabe an sie letztlich ihm gegenüber nicht wirksam sei.

Allerdings steht der Umstand, dass der Postmitarbeiter die Sendung nicht dem Kläger persönlich, sondern seiner Ehefrau übergeben hatte, der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen.

Danach wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugeht. Zugegangen ist die Willenserklärung, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Die Ehefrau des Klägers war als Empfangsbotin anzusehen. Hierbei handelt es sich um eine Person, die vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist. Dazu zählen bei schriftlichen Erklärungen zumindest alle Personen, die von § 178 ZPO (Regelung über die Ersatzzustellung in der Wohnung und anderen Räumen) erfasst werden, also auch die in der Wohnung des Empfängers lebenden Angehörigen und Haushaltsmitglieder, somit auch die Ehefrau des Klägers. (vgl. BGH, BGHZ 139, 123). Aus der jedenfalls entsprechenden Anwendung des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich hier, dass der Steuerbescheid vom 23.05.2012 dem Kläger am 01.06.2012 wirksam zugestellt worden ist; denn eine Erklärung, die ein Empfangsbote entgegennimmt, geht dem Adressaten in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu erwarten war. Übermittelt der Empfangsbote die Erklärung verspätet, falsch oder überhaupt nicht, so geht das zu Lasten des Empfängers (vgl. Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 130 Rn. 9).