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Steuerbescheide sind gem. § 173 Abs. 1 AO aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen (Nummer 1) oder soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden (Nummer 2). Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

Allein die unterlassene Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen innerhalb der Einspruchsfrist kann ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2   begründen. Diese Frage stellt sich allerdings nur dann, wenn nicht schon vor Erlass des Bescheids ein grob schuldhaftes Fehlverhalten des Steuerpflichtigen vorgelegen hat (BFH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – VIII R 10/11 –, juris).

Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75; in BFHE 214, 154, BStBl II 2006, 806, m.w.N.). Ob der Steuerpflichtige unter den gegebenen Umständen grob schuldhaft gehandelt hat, ist im Wesentlichen eine vom Finanzgericht als 1. Instanz zu entscheidende Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Finanzgerichts können im Streitfall vom Bundesfinanzhof nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff des groben Verschuldens richtig erkannt ist und ob die Würdigung der Verhältnisse hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 214, 154, BStBL II 2006, 806, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BFH).

Sofern kein zurechenbares grob schuldhaftes Verhalten des steuerlichen Beraters oder des Steuerpflichtigen vor Erlass der Bescheide vorliegt ist entscheidungserheblich, ob den Kläger oder dessen steuerlichen Berater für das Verfahrensstadium nach Erlass der angefochtenen Bescheide bis zum Ablauf der Einspruchsfrist der Vorwurf des groben Verschuldens trifft.

Sofern also der steuerliche Berater gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen und allein deshalb grob schuldhaft gehandelt hat, weil er die ihm bekannten Umstände nicht innerhalb der Einspruchsfrist dem Finanzamt übermittelt hat, ist ebenfalls ein grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzunehmen, das sich der Steuerpflichtige zurechnen lassen muss.