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Sitzt ein Hilfebedürftiger in Untersuchungshaft (U-Haft), hat er keinen Anspruch auf Übernahme der fälligen und künftigen Mietzahlungen gemäß §§ 19, 27 Abs. 1 und 29 SGB XII. Die Unterkunftskosten dienen nicht dem aktuellen Bedarf an einer Unterkunft, sondern der Erhaltung der Unterkunft bis zum Zeitpunkt der Haftentlassung (SG Duisburg, Urteil vom 02. Mai 2011 – S 16 SO 94/09 –, juris)

Der Anspruch ist zwar nicht bereits wegen § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen (so aber: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.05.2010, Az: L 23 SO 46/10 B ER), denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB II  erhält derjenige erwerbsfähige Hilfebedürftige gerade keine Leistungen nach dem SGB II, der sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befindet. Aus diesem Grund regelt das SGB XII in § 98 Abs. 4 SGB XII auch, welcher Sozialhilfeträger Leistungen nach dem SGB XII an Personen zu erbringen hat, die sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befinden. Personen, die sich in einer entsprechenden Einrichtung befinden, sind daher dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB XII, soweit ein entsprechender Bedarf besteht. Hier besteht ein solcher Bedarf gerade nicht, denn der Bedarf des Mieters an Unterkunft ist im streitigen Zeitraum dadurch sichergestellt, dass er sich in U-Haft befand. Die streitigen Unterkunftskosten dienen damit nicht dem aktuellen Bedarf an einer Wohnung, sondern vielmehr der Erhaltung dieser Wohnung bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Haft. Damit gehören die Kosten der Unterkunft aber nicht zum gegenwärtigen Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt (ebenso: SG Münster, Beschluss vom 02.05.2005, Az. S 12 SO 31/05 ER und SG Duisburg, Urteil vom 06.08.2008, Az: S 16 (35) SO 2/06).

Auch § 67 SGB XII scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Der Betroffene gehört nicht zum Personenkreis der nach § 67 SGB XII Leitungsberechtigten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.05.2010, Az: L 23 SO 46/10 B ER). Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Hieraus ergibt sich ein Rechtsanspruch und nicht nur ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Lebensverhältnisse wird in § 1 Abs. 2 der Verordnung zu § 69 SGB XII – Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten – (VO) anhand der dort genannten Beispiele konkretisiert. Danach bestehen besondere Lebensverhältnisse bei Personen, die aus einer geschlossenen Einrichtung entlassen werden. Dies betrifft auch die Entlassung aus der Haft. Dem Inhaftierten kann Obdachlosigkeit drohen, wenn er nicht in seine Wohnung zurückkehren kann. Insoweit ist die Hilfe zur Erhaltung der Wohnung (§ 4 VO) auch präventiv, weil sie im Hinblick auf eine bevorstehende, konkret abzusehende Entlassung erforderlich ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 17.09.2009, Az: L 18 SO 111/09 B ER).

Nach § 1 Abs. 3 VO liegen soziale Schwierigkeiten allerdings erst dann vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, u.a. im Zusammenhang mit Straffälligkeit. Soziale Schwierigkeiten allein und damit Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art reichen nicht aus. Die sozialen Schwierigkeiten müssen vielmehr von einer solchen Intensität sein, dass dem Betroffenen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nicht nur vorübergehend entweder nicht oder nur erheblich eingeschränkt möglich ist.