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Zur Verwirkung des Minderungsrechts bei vorbehaltloser Zahlung der Miete

 

Zahlt der Mieter den Mietzins binnen 11 Monaten vollständig ohne Minderungsvorbehalt verwirkt er sein Minderungsrecht gem. § 536 BGB, denn hierdurch gibt er auch dann, wenn er zuvor Mängel angemahnt hat, zu erkennen, dass er den vollen Mietzins für gerechtfertigt hält (LG Berlin, Urteil vom 9. November 2007 – 63 S 155/07 –, juris). Auch nach der Mietrechtsreform ist die Verwirkung nach § 242 BGB zu prüfen (BGH VIII ZR 274/02, Urteil vom 16. Juli 2003, juris). Bei Gewerbemietern nimmt das Landgericht Berlin im Übrigen bereits nach sechs Monaten eine Verwirkung des Minderungsrechts an, sofern die Miete vorbehaltlos gezahlt wird (LG Berlin, Urteil vom 4. Mai 2006 – 32 O 281/05 –, juris). Das Gericht folgt dabei der ständigen Rechtsprechung des BGH. Danach verliert der Mieter, der trotz Kenntnis eines anfänglichen oder nachträglich auftretenden Mangels den Gebrauch der Mietsache vorbehaltlos fortsetzt und insbesondere den Mietzins in voller Höhe weiterzahlt, seine Gewährleistungsrechte sowohl für die Vergangenheit, als auch für die Zukunft (vgl. BGH NJW-RR 1992, 267; BGH NJW 1974, 2233, 2234).

Wird die Miete vorbehaltlos und ungekürzt geleistet, steht der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruches darüber hinaus regelmäßig § 814 BGB entgegen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10. September 2019 – 3 U 73/18 –, juris). Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann gemäß § 814 BGB nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach. Die Kenntnis der Nichtschuld umfasst zwar nicht nur die Tatumstände, aus denen sich ergibt, dass der Leistende nicht verpflichtet ist, sondern auch, dass er weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Der Leistende muss also aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Die Frage, ob gemessen an diesen Maßstäben ein Rückforderungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB wegen Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen ist, ist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung anhand der in erster Linie vom Tatrichter zu würdigenden konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten (aus der neueren Rechtsprechung: BGH, Beschluss vom 04. September 2018 – VIII ZR 100/18). Zweifel daran, dass diese Voraussetzung vorliegt, gehen zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Leistungsempfängers (BGH, Urt. V. 17.10.2002 – III ZR 58/02, NJW 2002, 3772, 3773). Die übliche Rechtskenntnis in einschlägigen Kreisen kann dabei zu einem Anscheinsbeweis führen (vgl. auch Sprau in: Palandt, BGB, 78. Aufl., § 814 Rn 11). Im Regelfall ist beim heutigen Kenntnisstand der beteiligten (Mieter-)Kreise von deren Rechtskenntnis einer Minderungsbefugnis auszugehen und damit die Vorschrift des § 814 BGB anzuwenden (KG Berlin, Beschluss vom 21. Dezember 2012 – 8 U 286/11)