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Widerspricht der Mieter einer Eigenbedarfskündigung ist im Rahmen der anschließenden Räumungsklage der Härtegrund des nicht zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffenden Ersatzwohnraums gegenüber dem geltend gemachten Interesse des Vermieters abzuwägen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 144/19 –, juris).
Bei Würdigung und Gewichtung der beiderseitigen Belange haben Gerichte darauf zu achten, sich nicht in Widerspruch zu verfassungsrechtlich verbürgten Rechtspositionen der Mietvertragsparteien (u.a. Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 2 GG) zu setzen. Weiter haben sie zu berücksichtigen, dass die Abwägung stets auf der Grundlage der sorgfältig festzustellenden Einzelfallumstände zu erfolgen hat, weswegen sie sich nicht auf eine – aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse grundsätzlich nicht mögliche – Kategorisierung zurückziehen dürfen.
Auf Seiten des Vermieters ist stets das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum betroffen, das durch Privatnützigkeit und die gesetzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet ist und auch die Befugnis umfasst, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen (BVerfG, NJW-RR 1999, 1097,1098). Die Eigentumsgarantie, die es Gerichten verbietet, dem Vermieter entgegen seinen auf vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen basierenden Vorstellungen auf die (Mit-)Nutzung anderer Räume zu verweisen, ist nicht nur bei der Auslegung und Anwendung des Kündigungstatbestands des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, sondern auch bei der Interessenabwägung nach § 574 BGB zu beachten. Gerichte haben im Rahmen der Vorschrift des § 574 BGB die vom Vermieter beabsichtigte Lebensplanung grundsätzlich zu respektieren und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen.
Im Rahmen der Interessenbewertung ist auf der anderen Seite zugunsten des Mieters nicht nur das Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachten, das zur Folge hat, dass der Mieter bei der Anwendung der Vorschrift des § 574 BGB und der Auslegung des Begriffs der „Härte“ verlangen kann, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses berücksichtigen. Ggf. ist auch zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) betroffen ist. Je nach dem Ergebnis seiner Prüfung hat das Gericht diese Umstände in die Abwägung der beiderseitigen Belange einzustellen.
Maßgebend für die Abwägung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des § 574 BGB ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen.
Zu beachten ist dabei, dass nach den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen im Regelfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses nur auf bestimmte Zeit erfolgen soll (BT-Drucks. V/2317, S. 2).