Eine von den Parteien im Wohnraummietvertrag getroffene Barkautionsabrede ist typischerweise dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache gemäß §§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 1 BGB durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehenden Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll (BGH, Urteil vom 10. Juli 2024 – VIII ZR 184/23 –, juris).
Die beiderseitige Interessenlage der Vertragsparteien eines Wohnraummietverhältnisses ist hinsichtlich der Barkaution im Ausgangspunkt dadurch gekennzeichnet, dass diese – wie bereits unter II 1 ausgeführt – der Sicherung der Ansprüche des Vermieters dient. Der Vermieter soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können. Ihm steht dabei eine sich an das Ende des Mietverhältnisses anschließende angemessene Überlegungs- und Abrechnungsfrist zu. Die Länge dieser Frist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; diese können so beschaffen sein, dass auch mehr als sechs Monate für den Vermieter erforderlich und dem Mieter zumutbar sein können.
Für den Fall, dass der Vermieter Ansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache geltend machen will, kann daher die Abrechnungsfrist in ein Spannungsverhältnis zu der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB geraten, die eine „möglichst schnelle“ Klärung über bestehende – auch deliktische – Ansprüche bewirken soll.
Der BGH hat allerdings bereits entschieden, dass der Vermieter von Wohnraum nicht schon deshalb gehindert ist, mit verjährten Schadensersatzansprüchen wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermieteten Sache gegen den Anspruch auf Rückzahlung der Kaution aufzurechnen, weil er die vom Mieter gestellte Kaution nicht innerhalb von sechs Monaten seit Beendigung des Mietvertrages abgerechnet hat. Hierdurch ist klargestellt, dass die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zwangsläufig gegenüber der Kautionsabrechnungsfrist vorrangig ist.
Auch in der Fallgestaltung des § 215 Alt. 1 BGB lässt der Gesetzgeber die Verjährungseinrede aufgrund einer Interessenabwägung zurückstehen. Dieser Regelung – beziehungsweise der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 am 1. Januar 2002 geltenden Vorgängerregelung des § 390 Satz 2 BGB, nach welcher eine Aufrechnung trotz Verjährung der Gegenforderung des Aufrechnenden möglich ist, liegt die Wertung des Gesetzgebers zu Grunde, dass ein Schuldner, dem ein Gegenanspruch zusteht, kraft dessen er die Inanspruchnahme durch den Gläubiger erfolgreich abwehren kann, sich als hinreichend gesichert ansehen darf und durch die Verjährungsregeln nicht zur frühzeitigen Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll. Dabei wurde insbesondere bei einer in kurzer Frist verjährenden Forderung, der eine in längerer Frist verjährende Gegenforderung gegenübersteht, der Verlust der Aufrechnungsmöglichkeit als unbillig angesehen.
Im Hinblick auf den Sinn der Kautionsabrede, dem Vermieter eine Befriedigung durch Aufrechnung zu ermöglichen, widerspräche es den beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietvertrages, wenn die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 215 Alt. 1 BGB alleine daran scheitern würde, dass der Vermieter in unverjährter Zeit die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis nicht ausgeübt hat. Hierdurch würde der Ersetzungsbefugnis eine Stellung eingeräumt, die ihr die Parteien jedenfalls im Wohnraummietverhältnis bei vereinbarter Barkautionsabrede regelmäßig nicht zukommen lassen wollen.
Die Ersetzungsbefugnis dient dem Interesse des Geschädigten. Sie soll den Geschädigten davon befreien, die Sache zur Schadensbeseitigung dem Schädiger anzuvertrauen, und dem Geschädigten die Möglichkeit eröffnen, die Schadensbeseitigung in eigener Regie durchzuführen. Ihre Ausübung ist demzufolge für den Geschädigten nicht an bestimmte formelle Hürden geknüpft; sie bedarf insbesondere keiner Angabe von Gründen oder näherer Absprachen mit dem Schädiger.
Jedenfalls im Wohnraummietverhältnis ist es – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt hat – der Regelfall, dass der Vermieter bei der Beschädigung der Mietsache durch den Mieter seine Ersetzungsbefugnis ausübt. Dies entspricht dem Interesse des Vermieters, nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Schadensbeseitigung in eigener Regie vorzunehmen, um deren möglichst zeitnahe und fachgerechte Durchführung – mit dem Ziel einer möglichst nahtlosen Weitervermietung oder sonstigen Weiternutzung der Räume – zu gewährleisten.
Die – nach der geschilderten Interessenlage typischerweise zu erwartende – Ausübung der Ersetzungsbefugnis erfolgt nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts in der Regel – zulässigerweise und konkludent – bei der Kautionsabrechnung „zusammen mit der Aufrechnungserklärung“. Mit dem Zugang der Aufrechnungserklärung bei dem Mieter ist der dem Vermieter zustehende Schadensersatzanspruch in Geld zu erfüllen und wird damit die für eine Aufrechnungslage nach § 387 BGB erforderliche Gleichartigkeit zu dem Kautionsrückzahlungsanspruch geschaffen.
Die Verneinung der Anwendbarkeit des § 215 Alt. 1 BGB für das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Rückzahlung der Barkaution und dem (verjährten) Anspruch auf Schadensersatz in Geld wegen Beschädigung der Mietsache allein deshalb, weil der Vermieter die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in unverjährter Zeit ausgeübt hat, würde den Vermieter, dem für die Abrechnung der Mietkaution eine angemessene und nicht notwendigerweise auf die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkte Frist zur Verfügung steht, zwingen, gegebenenfalls bereits vor Ablauf dieser Abrechnungsfrist gesondert seine Ersetzungsbefugnis auszuüben. Dies ließe außer Betracht, dass die Interessenlage, deren Schutz § 215 Alt. 1 BGB dienen soll, gerade im Hinblick auf den Sinn der von den Parteien vereinbarten Barkaution auch ohne Ausübung der Ersetzungsbefugnis gegeben ist. Vor allem würde nicht berücksichtigt, dass der Mieter an einer isolierten Ausübung der Ersetzungsbefugnis innerhalb der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig kein Interesse hat.
Der Vermieter, dessen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache zunächst auf Naturalrestitution im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB gerichtet ist und sich erst durch Ausübung der Ersetzungsbefugnis in einen Geldersatzanspruch umwandelt, sieht sich dennoch durch die Barkaution, die gerade dazu dient, ihm nach Beendigung des Mietverhältnisses die leichte Befriedigung seiner Ansprüche zu ermöglichen, als hinreichend gesichert an, weil die Ausübung der Ersetzungsbefugnis ohne weitere Voraussetzungen und konkludent im Rahmen der ohnehin vorzunehmenden Abrechnung möglich ist.
Umgekehrt ist auch dem Mieter regelmäßig bewusst, dass der Vermieter von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache zunächst deshalb absieht, weil er sich ohne Weiteres durch Aufrechnung und die damit zugleich und typischerweise ausgeübte Ersetzungsbefugnis aus dem ihm gerade zu diesem Zweck gestellten Kautionsguthaben befriedigen kann.
Die – für die Anwendbarkeit des § 215 Alt. 1 BGB in Verbindung mit § 387 BGB ausreichende – isolierte Erklärung des Vermieters innerhalb der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB, er übe – möglicherweise auch nur vorsorglich – die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB aus, bringt dem Mieter in der geschilderten Konstellation keine ersichtlichen Vorteile, weil er bis zu der Abrechnung des Vermieters über das Kautionsguthaben ohnehin nicht weiß, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich dieser auf Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache beruft. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, besteht demnach kein berechtigtes Vertrauen des Mieters, nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr – im Wege der Aufrechnung – wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in Anspruch genommen zu werden, solange der Vermieter noch keine Abrechnung erteilt hat.