02224-9474-0 [email protected]

In der Rechtsprechung der Amtsgerichte ist die Verwirkung des Ehegattenunterhalts wegen Ausbrechens aus einer intakten Ehe regelmäßig kein Thema. Hintergrund dürfte sein, dass die Annahme vorherrscht, dass ein solches Ausbrechen aus der intakten Ehe kaum stattfinden wird: ist die Ehe intakt, dann wird kaum ein Ehegatte hieraus ausbrechen.
Trotzdem gibt es den entsprechenden Verwirkungsgrund, so dass dieser keineswegs stets verneint werden sollte. So hatte etwa das OLG Hamm sich in seiner Entscheidung vom 26.03.2012 im Einzelnen mit der Frage zu beschäftigen, wann ein Ausbrechen aus der intakten Ehe vorliegt, wobei aufgrund der Beweislage ein entsprechender Verwirkungsgrund im Ergebnis verneint wurde (Az. II-8 UF 109/10).
Danach ist ein Ausbrechen aus einer intakten Ehe als ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten im Sinne des § 1579 Nr. 7 BGB anzusehen. Der für ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten und damit auch für das mangelnde Intaktsein der Ehe die Darlegungs- und Beweislast tragende Verpflichtete hat nur solche konkreten Gegenvorwürfe auszuräumen, die von ihrem Gewicht her geeignet sind, dem Fehlverhalten des Berechtigten den Charakter eines einseitigen Fehlverhaltens zu nehmen. Hierzu gehört aber der erhebliche und ausreichend konkretisierte Vorwurf der Berechtigten, der Verpflichtete habe seit Jahren sexuelle Kontakte zwischen ihnen verweigert, zumal wenn die Parteien unstreitig seit mehreren Jahren nicht mehr sexuell miteinander verkehrt haben, ohne dass hierfür objektive Gründe – etwa ein altersbedingter Verzicht – ersichtlich sind.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien hatten 1978 geheiratet. Aus der Ehe waren zwei inzwischen volljährigen Kinder Daniel hervorgegangen. Die Parteien trennten sich im Mai 2009. Die Ehefrau, die spätestens seit Anfang Mai 2009 eine außereheliche Beziehung zu einem anderen Mann hatte, zog aus der ehegemeinschaftlichen Wohnung aus. Bis zur Anmietung einer eigenen Wohnung am im Dezember 2009 wohnte sie vorübergehend bei ihrem Freund.
Nach Ansicht des OLG war dadurch der Anspruch der Ehefrau nicht gemäß § 1361 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1379 Nr. 7 BGB verwirkt. Der für das Vorliegen eines Verwirkungsgrundes darlegungs- und beweisbelastete Ehemann habe nach Ansicht des Gerichts seinen Vorwurf, die Ehefrau sei aus einer intakten Ehe ausgebrochen, nicht bewiesen. Es habe sich nämlich nicht feststellen lassen, dass die Ehe im Zeitpunkt des Auszuges der Ehefrau noch intakt war. In diesem Zusammenhang verkennte das Gericht nicht, dass das Intaktsein der Ehe nicht schon durch den bloßen Vortrag der Ehefrau in Frage gestellt wurde, die Ehe sei lieblos gewesen bzw. sie sei auf die Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert worden. Gleiches gilt für die Behauptung, sie und der Ehemann hätten sich weitgehend auseinandergelebt (vgl. dazu Wendl/Dose-Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 4 Rn. 750). Der für ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten und damit auch für das mangelnde Intaktsein der Ehe die Darlegungs- und Beweislast tragende Verpflichtete hat vielmehr nur solche konkreten Gegenvorwürfe auszuräumen, die von ihrem Gewicht her gesehen geeignet sind, dem Fehlverhalten des Berechtigten den Charakter eines einseitigen Fehlverhaltens zu nehmen. Um eine solche Fallkonstellation handelt es sich aber hier: Denn der Ehemann hatte den erheblichen und ausreichend konkretisierten Vorwurf der Ehefrau, er habe seit Jahren sexuelle Kontakte zwischen ihnen verweigert, nicht widerlegt. Die Parteien hatten unstreitig seit mehreren Jahren nicht mehr sexuell miteinander verkehrt, ohne dass hierfür objektive Gründe – etwa ein altersbedingter Verzicht – ersichtlich waren. Während der Ehemann dies damit erklärte, dass man einvernehmlich auf geschlechtliche Kontakte verzichtet habe, legte die Ehefrau konkret dar, dass der Ehemann diese Kontakte trotz wiederholter Aufforderungen ihrerseits abgelehnt habe. Sie habe dem Ehemann ausdrücklich erklärt, dass sie sexuelle Kontakte vermisse und ihr etwas fehle, worauf der Ehemann jedoch nicht reagiert habe. Schließlich habe sie resigniert und auf weitere Aufforderungen verzichtet. Demgegenüber bot der Ehemann für seine gegenteilige Behauptung keinen Beweis an. Soweit er des weiteren behauptete, er und die Ehefrau hätten vielfältige gemeinsame Aktivitäten ausgeübt, gemeinsam Feste besucht und gesellschaftliche Kontakte gepflegt, vermochte dies ein mangelndes Intaktsein aufgrund verweigerter sexueller Kontakte nicht in Zweifel zu ziehen. Auch sein Einwand, die Ehefrau habe das gemeinsame Schlafzimmer deswegen verlassen, weil er geschnarcht habe, ist nicht geeignet, den Vortrag der Ehefrau zu widerlegen, zumal das getrennte Schlafen keineswegs bedeutet, dass die Eheleute notwendigerweise auch auf sexuelle Kontakte verzichten. Das vom Ehemann gezeichnete Bild einer nach außen harmonisch wirkenden Ehe stellt die Behauptung der Ehefrau, die Ehe sei aus dem genannten Grund nicht mehr intakt gewesen, gerade nicht in Frage.
Festzuhalten ist daher, dass zwar eine Verwirkung wegen Ausbrechens aus der intakten Ehe im Einzelfall in Betracht kommen kann, sich dessen Voraussetzungen allerdings zumeist kaum beweisen lassen.