02224-9474-0 [email protected]

 

Wer eine Person unter 18 Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein, den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht oder vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 235 Abs. 1 StGB).

Ein „Entziehen“ liegt vor, wenn durch den Täter die Personensorge, also die Pflicht und das Recht der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zur Pflege, Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung durch räumliche Trennung für eine gewisse, nicht nur ganz vorübergehende Dauer so wesentlich beeinträchtigt wird, dass sie nicht mehr ausgeübt werden kann. Ein Entziehen kommt aber auch in Betracht, wenn ein Elternteil das Recht des anderen Elternteils durch eine auf Dauer angelegte Veränderung des Lebensmittelpunkts des Kindes entgegen einer gemeinsam getroffenen Vereinbarung beeinträchtigt (OLG Köln, Beschluss vom 31. März 2017 – III-1 Ws 137/16 –, juris).

Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 21.08.2002 – 1 Ws 2440/02 – juris) hatte für einen Fall der Überschreitung der vereinbarten Urlaubszeit durch einen Elternteil um vier Tage gemeint, ein „Entziehen“ sei zu verneinen, wenn dem anderen Elternteil kein Herausgabeanspruch gemäß § 1632 Abs. 1 BGB bzw. aufgrund einer gerichtlichen Anordnung – etwa im Rahmen des Umgangsrechts gemäß § 1684 BGB – zustehe. Ein Entziehen komme aber auch in Betracht, wenn ein Elternteil das Recht des anderen Elternteils durch eine auf Dauer angelegte Veränderung des Lebensmittelpunkts des Kindes entgegen einer gemeinsam getroffenen Vereinbarung beeinträchtige.

Ein Entziehen soll nach einer auch in der Strafrechtswissenschaft verbreiteten Ansicht nur dann vorliegen, wenn der Täter das Sorgerecht unter Ausschluss des anderen Elternteils auf Dauer und insgesamt für sich in Anspruch nimmt (so: SK-StGB-Wolters, § 235 Rz. 8a; MüKo-StGB-Wieck-Noodt, 2. Auflage 2012, § 235 Rz. 46; Schönke/Schröder-Eser/Eisele, StGB, 29. Auflage 2014, § 235 Rz. 6: „familienrechtswidrige Inanspruchnahme des Sorgerechts als Ganzes“; a. A. aber LK-StGB-Krehl, 12. Auflage 2015, § 235 Rz. 43).

Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass etwa nur ein Verwandtenbesuch über ein Wochenende nicht die Voraussetzungen einer Kindesentziehung erfüllt, da hierdurch keine dauerhafte Beeinträchtigung der Rechte des anderen Elternteils erfolgt.