Durch das Oberlandesgerichte Braunschweig wird angenommen, dass bei der Herabgruppierung im Rahmen des Kindesunterhalts wegen umfangreicher Mitbetreuung im Wege einer pauschalierenden Schätzung auf die Annahme zurückgegriffen werden könne, dass eine Mitbetreuung sich auf etwa 45 % der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für ein Kind auswirke (OLG Braunschweig, Beschluss vom 12. März 2025 – 1 UF 136/24 –, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 7. April 2025 – 1 UF 136/24 –, juris; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 1 UF 68/16 –, juris). Aus diesem Grunde könne bei einer Mitbetreuung von einem Drittel eine geschätzte Bedarfsdeckung zu einem Anteil von 15 % angenommen werden. Eine solche Bedarfsdeckung zu einem Anteil von 15 % rechtfertige dann eine Herabgruppierung um drei Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle.
Gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB haften mehrere gleich nahe Verwandte für den Unterhalt eines Berechtigten anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Der andere, nicht betreuende Elternteil hat den Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs. 1 S. 1 BGB). Die gesetzliche Regelung geht mithin davon aus, dass ein Elternteil das Kind betreut und versorgt und der andere Elternteil die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Dabei bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen § 1610 Abs. 1 BGB). Soweit dieser allerdings noch keine eigenständige Lebensstellung erlangt hat, wie dies bei unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindern der Fall ist, leitet sich seine Lebensstellung von derjenigen der unterhaltspflichtigen Eltern ab. Werden die Kinder von einem Elternteil versorgt und betreut, während der andere Teil Barunterhalt leistet, so ist die Lebensstellung der Kinder grundsätzlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils begrenzt.
Anders ist es zu beurteilen, wenn die Eltern sich bei der Betreuung der Kinder abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt (paritätisches Wechselmodell). In solchen Fällen haften die Eltern anteilig für den Barunterhalt der Kinder, weil sie auch für den Betreuungsunterhalt nur anteilig aufkommen. Verfügen beide Elternteile über Einkünfte, ist der Elementarbedarf des Kindes an den beiderseitigen – zusammengerechneten – Einkünften auszurichten. Hinzuzurechnen sind Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung entstehen. Für den so ermittelten Bedarf haben die Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalunterhaltsleistungen aufzukommen.
Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, oder ob ein Wechselmodell praktiziert wird mit der Folge, dass beide Elternteile gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig für den Barunterhalt aufzukommen haben, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf beschränken muss.
Nach der derzeit allerdings wohl herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung verbleibt es auch im asymmetrischen Wechselmodell bei der alleinigen Barunterhaltspflicht des nicht hauptsächlich betreuenden und dem Ausschluss einer Barunterhaltspflicht des überwiegend betreuenden Elternteils nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, mit der Folge, dass sich der Unterhaltsbedarf des Kindes ausschließlich nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils bemisst. Der im Rahmen eines erweiterten Umgangs getätigte Mehraufwand kann danach eine Herabgruppierung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle rechtfertigen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2025 – 5 UF 86/24 –, juris). Darüber hinaus können gemäß dieser Rechtsprechung bedarfsdeckende Aufwendungen für das Kind (z.B. durch Verköstigung) den Kindesbedarf mindern (BGH, FamRZ 2014, 917ff, und FamRZ 2015, 236 ff.).
Demgegenüber gehen sowohl die in der Literatur entwickelten Berechnungsmodelle von Borth (Unterhaltspflicht im nichtparitätischen Wechselmodell, FamRZ 2023, 405 ff.) und Rubenbauer/ Dose (Barunterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern unter Berücksichtigung des Betreuungsanteils bis hin zum Wechselmodell, FamRZ 2022, 1497 ff.) als auch der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 09.12.2024 betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Unterhaltsrechts von einem Kindesbedarf nach dem Gesamteinkommen beider Eltern aus.
Nach Borth richtet sich der Anteil jedes Elternteils am Barunterhalt gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB ausschließlich nach dem Verhältnis der jeweiligen Einkünfte nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts, beispielsweise 20% für die Mutter und 80% für den Vater. Der (um das halbe Kindergeld bereinigte) Gesamtbedarf wird den Eltern nach ihren Betreuungsquoten zugeordnet, beispielsweise 60% für die Mutter und 40% für den Vater. Von den auf ihre Betreuungsphase entfallenden 60% des Gesamtbedarfs hat die Mutter dann entsprechend den Einkommensverhältnissen einen Anteil von 20% selbst zu tragen, während sie in Höhe der verbleibenden 80% den Vater auf Zahlung von Barunterhalt für das Kind in Anspruch nehmen kann. Umgekehrt hat der Vater von den auf seine Betreuungsphase entfallenden 40% am Gesamtbedarf 80% selbst zu tragen und kann in Höhe der verbleibenden 20% die Mutter in Anspruch nehmen. Der beiderseitig zu leistende Barunterhalt wird abschließend verrechnet, und der zugunsten eines Elternteils verbleibende Saldo ist vom anderen Elternteil als Ausgleich zu leisten. Dies kann auch den das Kind hauptsächlich betreuenden Elternteil treffen, wenn er über das höhere Einkommen verfügt.
Bei Rubenbauer/Dose richten sich die Haftungsanteile der Eltern am Barbedarf des Kindes demgegenüber jeweils zur Hälfte nach dem Verhältnis der über dem angemessenen Selbstbehalt liegenden Einkünfte und nach dem Verhältnis der Betreuungsanteile. Die Gefahr, dass bei der abschließenden Verrechnung der das Kind hauptsächlich betreuende, besserverdienende Elternteil einen Ausgleich zu leisten hat, wird dadurch minimiert, aber nicht gänzlich ausgeschlossen.
Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 09.12.2024 sieht schließlich bei einem Umgang im Umfang von zumindest 30 %, aber unterhalb der Schwelle einer in etwa hälftigen Betreuung eine Kindesunterhaltspflicht des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils in Höhe eines Haftungsanteils vor, der sich zum einen nach der Quote des Einkommens dieses Elternteils am Gesamteinkommen der Eltern – bezogen jeweils auf die den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkünfte – und zum anderen nach der Mitbetreuungsquote bestimmt, die pauschal mit einem Drittel angesetzt wird, wobei der nach dieser Quotierung vom Barunterhaltspflichtigen zu deckende Bedarf des Kindes unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Bedarfsdeckung um pauschal 15 % ermäßigt wird. Da anders als in den beiden vorgenannten Berechnungsmodellen keine Verrechnung erfolgt, ist es ausgeschlossen, dass sich die Leistungsrichtung umkehrt, wenn der das Kind hauptsächlich betreuende Elternteil auch der besserverdienende ist. Möglich ist in solch einem Fall aber durchaus, dass nach Anrechnung des halben Kindergeldes kein Anspruch auf Barunterhalt mehr besteht.
Das OLG Düsseldorf teilt die Auffassung, dass eine anteilige Barunterhaltspflicht des Hauptbetreuungselternteils, wie sie sowohl die Berechnungsmodelle von Borth und Rubenbauer/Dose als auch der Diskussionsentwurf vorsehen, de lege lata nicht mit § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB zu vereinbaren ist
(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2025 – 5 UF 86/24 –, juris). Denn wenn der betreuende Elternteil seine Unterhaltsverpflichtung durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt, ist er von der Verpflichtung zur Leistung von Barunterhalt an das Kind befreit und sein Einkommen ist in keiner Weise bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB gilt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei der Wahrnehmung eines sich einer hälftigen Mitbetreuung des Kindes annähernden erweiterten Umgangs, der das Schwergewicht der Betreuung und die Hauptverantwortung des überwiegend betreuenden Elternteils für das Kind nicht infrage stellt (BGH, FamRZ 2014, 917, und FamRZ 2015, 236 ff). Das OLG Düsseldorf schließt sich daher der wohl herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung an, die auch bei einem erweiterten Umgang den Barunterhaltsanspruch des Kindes gegen den nicht hauptsächlich betreuenden Elternteil allein nach dessen Einkommen bemisst und den durch die erweiterte Betreuung entstehenden Mehraufwand – ebenso wie die auf Seiten des hauptsächlich betreuenden Elternteils eintretende Entlastung – durch eine Herabgruppierung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle Rechnung trägt. Entsprechend sehen es auch die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Nordrhein-Westfalen (Leitlinien NRW), Stand: 01.01.2025, in Ziffer 12.5 vor.
Im Übrigen hat das OILG Düsseldorf die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Zwar habe sich der Bundesgerichtshof sich mit der Frage, wie der Kindesunterhalt im Falle einer umfangreichen Mitbetreuung der Kinder durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil zu bemessen ist, bereits in den Entscheidungen FamRZ 2014, 917 ff. und FamRZ 2015, 236 ff. befasst, allerdings seien seit der letzten höchstrichterlichen Entscheidung zu dieser Frage inzwischen fast elf Jahre vergangen und die Frage sei in den letzten Jahren – nicht zuletzt seit dem Vorschlag des Bundesministeriums der Justiz zur Modernisierung des Unterhaltsrechts – in Rechtsprechung und Literatur mit neuen Argumenten und Lösungsansätzen kontrovers diskutiert worden. Es bestehe daher durchaus weiterer Klärungsbedarf, zumal die Frage, wie sich ein asymmetrisches Wechselmodell auf die Barunterhaltspflicht des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils auswirke, für die betroffenen Familien von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sei. Ob man – wie das OLG Düsseldorf – den Weg der Herabgruppierung wähle oder eines der in der Literatur vertretenen Berechnungsmodelle anwende, könne einen Unterschied von mehreren hundert Euro pro Kind und Monat ausmachen.