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Wechselt das unterhaltsberechtigte Kind seinen Lebensmittelpunkt von dem bisher betreuenden zu dem bisher barunterhaltspflichtigen Elternteil ist der bisher betreuende Elternteil nicht mehr berechtigt, den Kindesunterhalt geltend zu machen. Dies gilt auch für etwaige Unterhaltsrückstände, die u.U. im Rahmen eines „familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ verfolgt werden können. Mit dessen Voraussetzungen hatte sich das AG Flensburg in dem Beschluss vom 31.07.2015, Az. 93 F 109/14m auseinanderzusetzen.

Der Ausgleichsanspruch des vormals betreuenden Elternteils besteht, wenn und soweit dieser – bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Geltendmachung rückständigen Unterhaltes – eine vom anderen Elternteil nicht erfüllte Barunterhaltspflicht tatsächlich in der Absicht übernommen hat, vom barunterhaltspflichtigen Elternteil Ersatz zu verlangen. Maßgeblich für den Bedarf des Kindes ist dabei das Einkommen des damals barunterhaltspflichtigen und nicht dasjenige des damals betreuenden Elternteils.

Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch des vormals betreuenden Elternteils wird allerdings durch dessen tatsächliche Aufwendungen begrenzt, wobei (jedenfalls) in Höhe des Mindestbedarfs eine Deckungsvermutung zugunsten des betreuenden Elternteils spricht.

Nach Ansicht des Gerichts ist von der Frage der Bedarfsermittlung – allein nach dem Einkommen des Barunterhaltspflichtigen – die Frage zu unterscheiden, ob und ggf. inwieweit der betreuende Elternteil nach seinen eigenen Einkommensverhältnissen in der Lage war, den so ermittelten Barbedarf des betreuten Kindes tatsächlich zu decken. Wäre es bei „rechtzeitiger Durchsetzung“ des Kindesunterhaltsanspruchs nach den Einkommensverhältnissen des Barunterhaltspflichtigen zur Titulierung des entsprechenden Tabellenzahlbetrages gekommen; sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum sich allein aufgrund des Wechsels der Obhut der bereits entstandene Bedarf ändern soll.

Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch werde damit zum einen über den aus dem Einkommen des Barunterhaltspflichtigen folgenden Barbedarf des Kindes limitiert, zum anderen durch die tatsächlichen Aufwendungen des betreuenden Elternteils. Dabei liege eigentlich auf der Hand, dass letzterer nicht mehr Ausgleich verlangen könne als er an Barunterhalt tatsächlich vorgeschossen habe bzw. nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überhaupt „vorab“ zu verauslagen in der Lage war. Dieses Ergebnis folgt aber auch aus folgenden Erwägungen: Zum einen zielt der familienrechtliche Ausgleichsanspruch allein auf Ersatz des – zusätzlich zur Betreuung – übernommenen Anteils am Barunterhalt und nicht auch auf Ersatz (des Wertes) von Betreuungsleistungen (BGH FamRZ 1994, 1102). Zum anderen steht der ggf. auch vom betreuenden Elternteil nicht durch eigene Barunterhaltsleistung „aufgefangene“ Teil des rückständigen Kindesunterhaltes nach wie vor allein dem Kind zu. Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch und Kindesunterhaltsanspruch sind also nicht zwangsläufig identisch, sondern stehen grundsätzlich nebeneinander. Machen aber sowohl Kind als auch vormals betreuender Elternteil (rückständige) Ansprüche denselben Zeitraum betreffend ggü. dem damals Barunterhaltspflichtigen geltend, muss der damalige Bedarf des Kindes schon allein zur Vermeidung sich widersprechender Ergebnisse und Entscheidungen einheitlich durch Rückgriff auf die Einkommensverhältnisse des vormals Barunterhaltspflichtigen ermittelt werden.

Der Höhe nach beschränkt sich der Ausgleichsanspruch auf den von dem betreuenden Elternteil tatsächlich übernommenen Anteil am – damals eigentlich von dem anderen Elternteil zu tragenden – Barbedarf. Soweit in der Rechtsprechung mitunter ohne weiteres eine Deckung des eigentlich vom Barunterhaltspflichtigen geschuldeten Barbedarfs durch den betreuenden Elternteil in voller Höhe angenommen und dem Barunterhaltspflichtigen die Entkräftung dieser zugunsten des Betreuenden sprechenden Vermutung aufoktroyiert wird (OLG Koblenz, FamRZ 1997, 368, 369), ist diese Auffassung abzulehnen. Denn sie kehrt die allgemeine Darlegungs- und Beweislastregel um, nach welcher jeder Anspruchsteller die ihm günstigen Umstände vorzubringen und nachzuweisen hat, und zwar nicht nur ohne Notwendigkeit, sondern auch ohne sachliche Rechtfertigung. Ohne jegliche Darlegung überhaupt vorhandener oder ggf. vom Betreuenden herbeigeschaffter Barmittel lässt sich eine derart weitreichende Vermutung gerade nicht mit der Lebenserfahrung und entsprechenden Anscheinsbeweisgrundsätzen begründen. Demgegenüber lässt sich (jedenfalls) im Umfang des Kindesmindestbedarfs zugunsten der Ausgleichsberechtigten eine aus der Lebenserfahrung resultierende Vermutung rechtfertigen, dass das durch diesen betreute Kind auch tatsächlich mit entsprechenden vorhandenen oder beschafften Barmitteln versorgt wurde. Ob – wie teilweise vertreten – über den Mindestbedarf hinausgehend eine tatsächliche Vorleistung des Barbedarfs in Höhe des sich aus dem Nettoeinkommen des betreuenden Elternteils ergebenden Tabellensatzes zu vermuten ist (OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1450)), konnte für das Gericht dahin stehen, da es insofern an jeglichem Vortrag zum damaligen Einkommen mangelte.