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Wie das OLG Hamm in dem Beschluss vom 14.04.2016, Az. 14 UF 237/15, ausgeführt hat, sind latente Ertragssteuern bei der Berechnung des Zugewinns abzuziehen.

Bei dem entschiedenen Fall war die Bewertung einer Anwaltskanzlei erforderlich. Die im Folgenden dargestellten Grundsätze lassen sich aber ggf. auch auf andere Unternehmen übertragen. Maßgeblich für die Bewertung eines Vermögensgegenstandes im Endvermögen (§ 1376 Abs. 2 BGB) ist der objektive Wert. Bei einer Kanzlei setzt sich der Wert aus dem Substanzwert und dem darüber hinausgehenden Goodwill zusammen.

Der BGH hatte in den für die Bewertung einer freiberuflichen Praxis im Rahmen des Zugewinnausgleichs maßgeblichen Urteilen (vom 02.02.2011, XII ZR 185/08, sowie vom 09.02.2011, XII ZR 40/09) ausgeführt, dass freiberuflich betriebene Praxen regelmäßig inhaberbezogen seien, was insbesondere für kleinere Kanzleien oder Praxen gelte (Urteil vom 09.02.2011, XII ZR 40/09). Der Goodwill gründe sich auf immaterielle Faktoren wie Standort, Art und Zusammensetzung der Mandanten/Patienten, Konkurrenzsituation und ähnliche Faktoren, soweit sie auf einen Nachfolger übertragbar seien. Der Käufer bezahle die Chance, die Mandanten des bisherigen Praxisinhabers oder Teilhabers zu übernehmen und auf dem vorhandenen Bestand und der gegebenen Konkurrenzsituation aufbauen zu können. Soweit sich der Erfolg auch durch andere immaterielle Faktoren, wie Ruf und Ansehen des Praxisinhabers bemesse, die mit dessen Person verknüpft und deswegen grundsätzlich nicht übertragbar seien, könnten diese im Rahmen des Zugewinnausgleichs den Goodwill nicht bestimmen. Nur der am Stichtag nachhaltig vorhandene Wert sei zu erfassen, der sich in der bis dahin aufgebauten und zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Nutzungsmöglichkeit niederschlage. Im Rahmen der Wertermittlung müsse der auf den derzeitigen Inhaber bezogene Wert ausgeschieden werden, der auf dessen persönlichem Einsatz beruhe und nicht auf einen Übernehmer übertragbar sei (XII ZR 185/08 Rn. 29).

Zur Methode der Wertermittlung hatte der BGH ausgeführt, dass es Sache des – sachverständig beratenen – Tatrichters sei, die für den betreffenden Sachverhalt spezifische Methode auszuwählen und anzuwenden (Urteil vom 02.02.2011, XII ZR 185/08, Urteil vom 09.02.2011, XII ZR 40/09,). Er hatte lediglich eine Bemessung des Wertes allein nach dem Umsatz (wegen der fehlenden Berücksichtigung der Kosten) und auch allein nach dem Ertragswert (wegen der fehlenden Berücksichtigung der Personenbindung des Unternehmens) abgelehnt (Urteil vom 02.02.2011, XII ZR 185/0,8). In den konkreten Fällen war der Wert jeweils nach der modifizierten Ertragswertmethode ermittelt worden. Der BGH hatte hierzu ausgeführt, dass die Wahl der modifizierten Ertragswertmethode in den entschiedenen Fällen zulässig sei (Urteil vom 09.02.2011, XII ZR 40/09) bzw. nicht zu beanstanden sei (Urteil vom 02.02.2011, XII ZR 185/08). Das bedeutet aber nicht, dass die Umsatzmethode – jedenfalls in modifizierter Form – nicht mehr anzuwenden ist. In dem Urteil vom 02.02.2011, XII ZR 185/08 hat der BGH das Umsatzwertverfahren ausdrücklich nicht verworfen, weil auch bei dieser Methode Wertkorrekturen mit Rücksicht auf die Personenbindung sowie regionale, unternehmensspezifische und marktmäßige Besonderheiten möglich seien. Insoweit hat er für die Wahl der Bewertungsmethode festgehalten, dass es sachgerecht sei, wenn eine Bewertungsmethode herangezogen werde, die von einer zuständigen Standesorganisation empfohlen und verbreitet angewandt werde.

Von dem ermittelten Wert der Anwaltskanzlei ist die latente Ertragssteuer abzuziehen. Da die stichtagsbezogene Bewertung einer Inhaberpraxis im Zugewinnausgleich eine Verwertbarkeit voraussetzt und eine Verwertung unvermeidbar eine Ertragsteuer auslöst, sind nach der Rechtsprechung des BGH bereits bei der Bewertung latente Ertragsteuern unabhängig von einer tatsächlichen Veräußerungsabsicht in Abzug zu bringen; weiteres Argument ist, dass dem Verkäufer wirtschaftlich wegen der mit einer Veräußerung verbundenen Auflösung der stillen Reserven nur der um die Steuern geschmälerte Erlös verbleibt (Urteil vom 02.02.2011, XII ZR 185/08, und Urteil vom 09.02.2011, XII ZR 40/09). Maßgebend ist die bei unterstellter Veräußerung zum Stichtag entstehende Steuerlast, was eine Berücksichtigung der steuerrechtlich maßgeblichen Verhältnisse bezogen auf diesen Zeitpunkt erfordert. Zu ermitteln ist die individuelle latente Ertragssteuer auf der Grundlage des § 34 EStG (Urteil vom 09.02.2011, XII ZR 40/09). Auf der Grundlage von § 34 EStG kann gemäß § 287 ZPO die latente Ertragssteuer in Gestalt von Einkommen- und Zuschlagsteuern geschätzt werden. 34 EStG behandelt außerordentliche Einkünfte, zu denen Veräußerungsgewinne aus einem Vermögen gehören, das der selbstständigen Arbeit dient (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 S. 1 EStG). Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt grundsätzlich das Fünffache des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte (§ 34 Abs. 1 S. 2 EStG). Auf Antrag kann die auf den Teil der außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat (§ 34 Abs. 3 S. 1 EStG), wobei der ermäßigte Steuersatz 56% des durchschnittlichen Steuersatzes beträgt, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14% (§ 34 Abs. 3 S. 2 EStG).Die Berechnung der Ertragssteuer auf dieser Grundlage ist eine Rechtsfrage, zu der die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht kommt.