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Sofern der Wunsch, einen höherwertigen Bildungsabschluss erwerben zu wollen, um dadurch bessere berufliche Möglichkeiten zu erhalten, nachvollziehbar, nicht erreichbar, besteht kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt.

Sofern ein minderjähriges Kind etwa unter Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung und des offensichtlichen Förderbedarfs im Bereich Lernen – nicht in der in der Lage ist, die mittlere Reifeprüfung (Realschulabschluss) zu erlangen, ist es zur Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn es nicht mehr schulpflichtig ist und sich nicht ausbilden lässt (AG Bruchsal, Beschluss vom 28. Juni 2022 – 5 F 100/22 –, juris).

Aus § 1610 Abs. 2 BGB folgt der Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Vorbildung. Geschuldet wird die den Eltern wirtschaftlich zumutbare Finanzierung einer optimalen begabungsbezogenen Berufsausbildung ihres Kindes, die dessen Neigungen gerecht wird, ohne dass sämtliche Neigungen und Wünsche berücksichtigt werden müssen, insbesondere nicht solche, die sich nur als flüchtig oder vorübergehend erweisen oder mit den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes oder den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern nicht zu vereinbaren sind. (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 2 Kindes-, Eltern- und sonstiger Verwandtenunterhalt Rn. 69, beck-online). „Angemessen“ ist damit eine Ausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten, nicht nur vorübergehenden Neigungen des einzelnen Kindes entspricht.

Nach dem Gegenseitigkeitsprinzip steht der Verpflichtung der Eltern, dem Kind eine angemessene Ausbildung zu ermöglichen (§ 1610 Abs. 2 BGB), die Ausbildungsobliegenheit des Kindes gegenüber. Die in der Ausbildung befindlichen Kinder haben dabei die Verpflichtung, die Ausbildung ernsthaft zu betreiben und zügig zu durchlaufen. Auch muss die Ausbildung zielgerichtet und mit dem erforderlichen Engagement betrieben werden, ferner geeignet sein, dem Unterhaltsberechtigten in Zukunft die eigenständige Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu ermöglichen. (Scholz/Kleffmann FamR-HdB, Teil I Kindesunterhalt Rn. 80, beck-online). Die Obliegenheit des Kindes umfasst auch, den schulischen Leistungsanforderungen gerecht werden zu können (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.7.2008 – 5 UF 46/08, NJW 2009, 235, beck-online).

Der Anspruch des Kindes auf Unterhalt ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. D.h. auch Kinder müssen die notwendigen und ihnen persönlich zuzumutenden Schritte unternehmen, um im Laufe der Jahre wirtschaftlich auf eigene Beine zu kommen. Andernfalls sind ihnen ihrem Alter entsprechende erzielbare hypothetische Einkünfte anzurechnen. (OLG Karlsruhe NJW 2019, 3250 Rn. 19, beck-online)

Die neuere Rechtsprechung (z. B.: OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.6.2010, II-8 WF 117/10) geht deshalb überwiegend davon aus, dass minderjährige Kinder, die nicht mehr den Einschränkungen des JArbSchG und der vollzeitigen Schulpflicht unterliegen, von einer Erwerbspflicht nicht entbunden sind. Sind beim minderjährigen Kind fiktive Einkünfte anzurechnen, ist zu beachten, dass die Anrechnung eines solchen fiktiven Einkommens dem barunterhaltspflichtigen Elternteil wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt nur zur Hälfte zugutekommt, so dass die Anrechnung nicht zu einem völligen Wegfall des Unterhaltsanspruches führen muss.

Auch ein minderjähriges Kind ist zur Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn es nicht mehr schulpflichtig ist und sich nicht ausbilden lässt (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 2 Kindes-, Eltern- und sonstiger Verwandtenunterhalt Rn. 58, beck-online).