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Eine Selbstanzeige gem. § 371 AO ist eine berichtigende Erklärung zu steuerlichen Angaben, die zuvor beim Finanzamt unrichtig angegeben oder verschwiegen worden waren. Diese ist nur möglich, solange die Straftat noch unentdeckt ist. Bei Einhaltung bestimmter Bedingungen kann sie Straffreiheit bei Steuerhinterziehung bewirken.

371 Abs. 1 S. 1 AO verlangt, dass die unrichtigen Angaben „zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfange“ berichtigt, ergänzt oder nachgeholt werden. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen, § 371 Abs. 1 S. 2 AO.

Streitig ist die Frage, ob eine Selbstanzeige zum Verlust des Ehegattenunterhalts führen kann. So ging das AG Aachen davon aus, dass eine steuerrechtliche Selbstanzeige des Unterhaltsberechtigten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings für die Trennungsunterhaltszeit, die nach Aufdeckung zu einer steuerlichen Mehrbelastung des Unterhaltspflichtigen und zur Auferlegung einer Geldstrafe führt, eine Teilverwirkung des Ehegattenunterhaltsanspruchs begründen könne (AG Aachen, Beschluss vom 23. März 2017 – 220 F 294/12 –, juris).

Dem Unterhaltsanspruch des Antragstellers stand nach Ansicht des Gerichts der Verwirkungseinwand des § 1579 BGB zwar nicht in toto, wohl aber temporär entgegen. § 1579 Nr. 5 BGB ordnet eine unterhaltsrechtliche Sanktion für den Fall an, dass sich der Berechtigte über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten hinwegsetzt. Einen solchen Sachverhalt sah das Gericht verwirklicht durch die steuerrechtliche Selbstanzeige des Unterhaltsgläubigers in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings für die Trennungsunterhaltszeit. Übereinstimmend schilderten die Beteiligten, man habe in der vom Antragsteller gegengezeichneten Anlage U zur Einkommensteuererklärung der Antragsgegnerin objektiv unrichtige Angaben zum gezahlten Unterhaltsbetrag gemacht, was nach Aufdeckung durch die Finanzbehörden zu einer steuerlichen Mehrbelastung der Antragsgegnerin und zur Auferlegung einer Geldstrafe geführt habe. Es konnte nach Ansicht des Gerichts dahinstehen, ob die Beteiligten dabei kollusiv zusammengewirkt hatten oder ob der wirtschaftlich abhängige Antragsteller sich in einer Drucksituation gefühlt hatte. Vorwerfbar sei jedenfalls die anschließend initiativ vorgenommene Selbstanzeige. Eine solche Vorgehensweise werde dem Unterhaltsschuldner ohne Verstoß gegen die nachehelich fortwirkende Solidarität nur dann zugebilligt, wenn er zum Selbstschutz, insbesondere bei konkreten Risiken einer Entdeckung, sich den Finanzbehörden offenbare. Für eine derart bedrängte Lage ergaben sich nach Ansicht des Gerichts weder aus den aktenkundigen Fakten noch aus dem Vorbringen des Antragstellers Anhaltspunkte.

Demgegenüber ging das OLG Koblenz davon aus, dass der Unterhaltsanspruch der getrenntlebenden Ehefrau nicht verwirkt sei, wenn diese beim Finanzamt Selbstanzeige erstatte und das Finanzamt daraufhin auch ein Steuerstrafverfahren gegen den Ehemann veranlasse (OLG Koblenz, Urteil vom 20. November 2001 – 11 UF 630/00 –, juris). Das Oberlandesgericht stellte darauf ab, dass grundsätzlich der bedürftige Ehegatte Rücksicht auf die wirtschaftlichen Belange des Verpflichteten zu nehmen habe und sich deshalb nicht als Hüter des Gesetzes aufspielen dürfe. Dies gelte aber dann nicht, wenn der bedürftige Ehegatte wegen Beteiligung an einer Straftat eine Selbstanzeige mache (vgl. Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl. 2000, IV. Rz. 462 m.w.N.). Allerdings ist zu beachten, dass bei Steuerdelikten gegebenenfalls eine vorherige Hinweispflicht gegenüber dem Unterhaltsschuldner besteht, um diesem ebenfalls eine Selbstanzeige zu ermöglichen (OLG Koblenz, Urteil vom 20. November 2001 – 11 UF 630/00 –, juris).