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Über die Schutzimpfung ihres Kindes können Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht
grds. nur gemeinsam entscheiden.

Der BGH hat am 03.05.2017 beschlossen, dass die Schutzimpfung eines Kindes
auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist, wenn es
sich um eine Standard- oder Routineimpfung handelt (Az. XII ZB 157/16).

Können sich die Eltern nicht über die Durchführung einer solchen Impfung einigen
kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes
entsprechend den Empfehlungen der Impfkommission beim Robert-Koch-Institut
befürwortet, übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken
vorliegen.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der
allgemeinen Infektions-und Impfrisiken ist hierfür nicht erforderlich.

Das Familiengericht kann, wenn sich die Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht in
einer Angelegenheit, die für das Kind von erheblich
er Bedeutung ist, nicht einigen
können, die Entscheidung einem Elternteil übertragen (§ 1628 S. 1 BGB). Entweder
ist die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der
Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder durch Zurückweisung
des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand zu belassen.

Die Entscheidung des Gerichts richtet sich nach dem Kindeswohl. Aus diesem
Grunde wird die Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil übertragen, dessen
Lösungsvorschlag dem Kindeswohl besser gerecht wird.

Für Schutzimpfungen gilt, dass es sich dabei um eine
Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt.
Demgegenüber wurde etwa vom OLG Frankfurt (FamRZ 2011,47)
und OLG Dresden (FamRZ 2011, 48) die Ansicht vertreten,
dass Standard- oder Routineimpfungen der Alltagssorge unterfielen,
so dass ein Elternteil bei gemeinsamem Sorgerecht allein hierüber entscheiden könne.

Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel nur
solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen
auf die Entwicklung des Kindes haben. Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht
um Entscheidungen, die häufig vorkommen. Die Entscheidung, ob das Kind während
der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll,
fällt im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal
an. Zudem kann die Entscheidung schwer abzuändernde Auswirkungen auf die
Entwicklung des Kindes haben, wobei offen bleiben konnte, ob die Infektionsrisiken
im Fall der Nichtimpfung die Impfungsrisiken überwiegen oder umgekehrt.

Die Impfempfehlungen der Impfkommission sind in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs als medizinischer Standard anerkannt worden. Der Verweis
darauf, dass die Impfempfehlungen „umstritten“ seien, reicht nach Ansicht des BGH
nicht aus.