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Die Frage, nach welchem Zeitraum im Falle eines Studienfachwechsels der Unterhaltsanspruch des Studierenden gegenüber seinen Eltern nicht mehr besteht, kann nicht pauschal beantwortet werden.

Der Bundesgerichtshof hatte hierzu in seinem Urteil vom 04. März 1998 (Az. XII ZR 173/96) festgestellt, dass der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bei einer verzögerten Ausbildung aufgrund einer der Verwirkung wegfallen kann.

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Unterhaltsleistungen sind zweckgebunden und werden nur geschuldet, als sie für eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf erforderlich sind. Zwar muss der Verpflichtete Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Die Verletzung des Gegenseitigkeitsverhältnisses führt zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs.

Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt nicht nur die Obliegenheit des Kindes, die einmal gewählte Ausbildung, z.B. ein Hochschulstudium, zügig und – jedenfalls im Grundsatz – entsprechend den maßgeblichen Studienplänen durchzuführen. Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern erfordert es auch, dass sich das Kind nach dem Abgang von der Schule binnen einer angemessenen Orientierungsphase für die Aufnahme einer seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden Ausbildung entscheidet.

Wie der BGH bereits für die sogenannten „Abitur-Lehre- Studium-Fälle“ entschieden hat, muss neben dem sachlichen auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Lehre und Studium derart bestehen, dass der Auszubildende nach dem Lehrabschluss das Studium baldmöglichst mit der gebotenen Zielstrebigkeit aufnimmt. Übt er im Anschluss an die Lehre den erlernten Beruf aus, obwohl er mit dem Studium beginnen könnte, wird der erforderliche zeitliche Zusammenhang aufgehoben. Dahinter steht der Gedanke, dass die Reichweite der Unterhaltspflicht der Eltern von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach Schulabschluss und nach einer Lehre noch weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Da es zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird, wird eine Unterhaltspflicht umso weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Denn umso weniger müssen die Eltern damit rechnen, dass er daran noch den Besuch einer weiterführenden Schule und ein Studium anschließen wird. Diese aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgenden Gesichtspunkte wirken sich nicht erst bei der Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für die Eltern aus, sondern beeinflussen bereits die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der eingeschlagene Ausbildungsweg noch Bestandteil der geschuldeten einheitlichen Vorbildung zu einem Beruf ist (BGH FamRZ 1995, 416, 417). Daher hatte der BGH einen weiteren Ausbildungsanspruch für solche Fälle verneint, in denen dem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, sodann die Fachoberschule und die Fachhochschule nachfolgen. Denn der Unterhaltspflichtige braucht hier – im Unterschied zu den Fällen, in denen die Eltern wegen des Abiturs des Kindes grundsätzlich von vornherein mit einem Hochschulstudium rechnen müssen – nicht davon auszugehen, dass ihn das Kind nach Abschluss der praktischen Berufsausbildung zu weiteren Unterhaltsleistungen heranzieht.

Auch ein Schulabgänger muss sich im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig angehen (vgl. OLG Schleswig FamRZ 1986, 201 f.). Zwar gesteht die Rechtsprechung einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zu, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine zu lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabungen und Fertigkeiten verdienen muss (vgl. OLG Hamm FamRZ 95, 1007, 1008). § 1610 Abs. 2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr mit der Nachholung der Hochschulreife und der Aufnahme eines Studiums rechnen mussten, einem Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es sich dabei um Zeiträume handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1994, 1611, das bei einer Orientierungsphase von 31 Monaten den Unterhaltsanspruch versagt hat; abweichend OLG Köln FamRZ 1986, 382; OLG Stuttgart 1996, 181).

Wechselt ein Studierender erst nach mehr als fünf Semestern das Studienfach unter Hinweis darauf, dass er sich umorientieren wolle, so können sich die Unterhaltsschuldner vielfach mit Erfolg auf einen Wegfall der Unterhaltspflicht berufen. Das gilt nicht, wenn der Studienfachwechsel auf Umständen beruht, die der Studierende nicht zu vertreten hat.