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Ein Wechselmodell ist aus Gründen des Kindeswohls nur in Betracht zu ziehen, wenn eine auf sicherer Bindung des Kindes beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Maßgeblich ist im Übrigen, vor allem bei Kindern im Jugendalter, der vom Kind geäußerte Wille.

Im Verhältnis der Eltern erfordert das Wechselmodell regelmäßig einen erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, so dass bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung ein Wechselmodell  in der Regel nicht dem Kindeswohl entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15).

Scheidet danach ein Wechselmodell aus, kann das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht beibehalten werden, weil die Eltern sich über den künftigen Lebensmittelpunkt des Kindes nicht einig sind.

Diese Grundsätze für Sorgerechtsentscheidungen wurden in dem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 16.12.2020 erneut bestätigt (Az. 20 UF 56/20 -, juris).

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, kann gemäß § 1671 Abs. 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge ganz oder z.T. allein überträgt. Dem Antrag ist, wenn nicht der andere Elternteil zustimmt, stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Kindeswohl am besten entspricht. Es ist eine doppelte Kindeswohlprüfung durchzuführen: es ist zunächst festzustellen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Ist das der Fall ist zu prüfen, ob die Übertragung gerade auf den antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht.1671 Abs. 1 BGB bedeutet nicht, dass dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt würde. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist. Einer solchen Regelung stünde schon entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit nicht verordnen lässt (BGH, Beschluss vom 11.05.2005 – XII ZB 33/04 -, juris). Vorrangiger Maßstab der Entscheidung ist das Kindeswohl. Die Alleinsorge ist daher anzuordnen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge aus Kindeswohlgründen ausscheidet.

Eine Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts ist regelmäßig geboten, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes Gegenstand einer anhaltenden elterlichen Auseinandersetzung ist und davon auszugehen ist, dass die Eltern in dieser Frage auch in absehbarer Zeit nicht zu einer Verständigung in der Lage sein werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.12.2018 – 4 UF 167/18 -, juris). Dann ist unter Berücksichtigung der Kriterien des Kindeswohls, also der Erziehungseignung der Eltern, ihrer Fähigkeit zur Förderung des Kindes, der Bindungen und des Willens des Kindes sowie der Kontinuität der Lebens- und Erziehungsverhältnisse des Kindes darüber zu entscheiden, welchem beider Elternteile das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung zu übertragen ist.

Erweist sich unter Zugrundelegung dieser Kriterien eine geteilte Betreuung des Kindes durch beide Elternteile als dem Kindeswohl am besten entsprechend, ist grundsätzlich eine geteilte Betreuung durch geeignete gerichtliche Maßnahmen sicherzustellen, was jedenfalls im Rahmen einer gerichtlichen Umgangsregelung erfolgen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – XII ZB 601/15 -, juris). Die Frage, ob und inwieweit die Ermöglichung einer geteilten Betreuung im Sinne eines Wechselmodells auch im Rahmen eines Sorgerechtsstreits etwa durch Belassen der gemeinsamen Sorge oder Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf denjenigen Elternteil, der das Wechselmodell durchsetzen will, erfolgen kann, ist bislang nicht abschließend geklärt. Eine gerichtliche Regelung mit dem Inhalt, die elterliche Sorge für eine festgelegte Zeit auszuüben, dürfte nach Ansicht des OLG Karlsruhe eher ausscheiden. Auch dürfte ein Wechselmodell bei Uneinigkeit der Eltern nach Ansicht des Gerichts kaum durch die bloße Beibehaltung der gemeinsamen Sorge herbeigeführt werden können. Letztlich konnten diese Fragen im konkreten Fall offen bleiben, da die vom Antragsteller gewünschte Aufrechterhaltung bzw. Wiedereinräumung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts mit dem Ziel der Ermöglichung eines Wechselmodells nur dann in Betracht gekommen wäre, wenn ein Wechselmodell dem Wohl des Kindes am besten entspräche. Das war in dem entschiedenen Fall zu verneinen.

Dabei wurde davon ausgegangen, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört (§ 1626 Abs. 3 S. 1 BGB). Damit ist aber noch keine quantitative Festlegung einer zu treffenden Umgangsregelung oder Regelung von Betreuungsanteilen verbunden. Eine solche muss vielmehr im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entsprechen. Dabei ist auf Seiten des Kindes ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Wesentlicher Aspekt ist der vom Kind geäußerte Wille, der vor allem bei Kindern im Jugendalter bedeutsam wird. Im Verhältnis der Eltern erfordert das Wechselmodell einen erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, so dass bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung ein Wechselmodell in der Regel nicht dem Kindeswohl entsprechen wird.

Von diesen Maßstäben ausgehend kam ein Wechselmodell in dem durch das OLG entschiedenen Fall nicht in Betracht. Im Ergebnis bedeutet dies, dass einem paritätischen Wechselmodell von kooperationsunwilligen Elternteilen leicht dadurch entgegengewirkt werden kann, dass naturgemäß bestehende Konflikte auf der Paarebene der Eltern zugespitzt werden. Die daraus sich regelmäßig ergebenden Loyalitätskonflikte auf Seiten der Kinder schließen in der Praxis Wechselmodelle vielfach aus.