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Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 1565 Abs. 2 BGB). Bei der Auslegung des § 1565 Abs. 2 BGB kommt es darauf an, ob dem Antragsteller die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft zugemutet werden kann (KG Berlin, Urteil vom 4. Juli 1978 – 17 UF 1245/78 –, juris).

Eine Alkoholerkrankung kann insoweit eine unzumutbare Härte für den anderen Ehegatten darstellen, der eine Härtefallscheidung ermöglicht.

So wurde etwa durch das OLG Hamm entschieden, dass „Alkoholexzesse und haltloses Umherziehen über längere Zeit“ die Fortsetzung der Ehe für den anderen Partner unzumutbar machen und zwar unabhängig davon, ob dieses Verhalten schuldhaft ist (OLG Hamm, Urteil vom 22. Mai 1978 – 4 UF 12/78 –, juris).

Das OLG Nürnberg hatte sogar weitergehend angenommen, dass Alkoholismus eines Ehegatten eine unzumutbare Härte iS § 1565 Abs. 2 BGB darstelle und den anderen Ehegatten dazu berechtige, die sofortige Scheidung der Ehe zu verlangen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. April 1981 – 7 WF 886/81 –, juris; einschränkend nur für bestimmte Umstände: OLG Nürnberg, Urteil vom 13. Januar 1981 – 11 UF 2265/80 –, juris).

Auch das Kammergericht Berlin hat jedenfalls bei einer unheilbare Alkoholerkrankung eines Ehegatten angenommen, dass die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft für den Ehepartner im Allgemeinen unzumutbar sei (KG Berlin, Urteil vom 4. Juli 1978 – 17 UF 1245/78 –, juris)

Insbesondere gravierende Übergriffe und Drohungen eines alkoholbedingt gewalttätigen Ehemannes können eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres aufgrund unzumutbarer Härte rechtfertigen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. Januar 2007 – 15 WF 22/07 –, juris; ähnlich OLG Köln, Beschluss vom 24. April 1978 – 21 WF 105/78 –, juris bei alkoholbedingter Gefährdung des Familienunterhalts und schweren Übergriffen).

Soweit z.T. von der Rechtsprechung angenommen wird, dass ein Härtegrund ausscheide, wenn die Alkoholerkrankung des anderen Ehegatten bereits längere Zeit ertragen worden sei (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 1977 – 2 WF 112/77 –, juris), ist dem nicht zu folgen. Verkannt wird insoweit, welche Co-Abhängigkeiten vielfach eine Ablösung von dem suchtkranken Partner behindern, ohne dass damit eine Härtegrund per se ausgeschlossen wird. Dementsprechend wurde etwa von dem Kammergericht Berlin entschieden, dass der Ehefrau, die sich wegen einer länger bestehenden Trunksucht ihres Ehemannes scheiden lassen will, im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 BGB nicht entgegengehalten werden könne, sie habe die mit der Trunksucht des Antragsgegners verbundenen Nachteile über mehrere Jahre hinweg ertragen und könne dies auch noch länger tun (KG Berlin, Urteil vom 4. Juli 1978 – 17 UF 1245/78 –, juris).