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Der Bundesgerichtshof hat auch in seiner jüngsten Rechtsprechung bestätigt, dass bei Eheverträgen eine Gesamtwürdigung gemäß § 138 BGB dahingehend stattzufinden hat, ob der Vertrag sittenwidrig ist (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2020 – XII ZB 447/19 –, juris).

Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich unterliegen grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Diese darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – unter angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift (Senatsbeschluss vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17 – FamRZ 2018, 577 Rn. 12  mwN).

Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 – XII ZB 303/13 – FamRZ 2014, 592 Rn. 17  mwN).

Diese Grundsätze gelten auch für Scheidungsfolgenvereinbarungen, die die Ehegatten im Hinblick auf eine Ehekrise oder eine bevorstehende Scheidung getroffen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 – XII ZB 303/13 – FamRZ 2014, 629 Rn. 15  ff.; siehe auch Senatsbeschluss vom 3. November 1993 – XII ZB 33/92 – FamRZ 1994, 235).

Auch dann, wenn ein vereinbarter Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs sich für einen Beteiligten als nachteilig darstellt, führt dies jedoch für sich genommen noch nicht zur Sittenwidrigkeit der insoweit getroffenen Abrede. So kann ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs auch bei den in einer Ehekrise oder im Zusammenhang mit einer bereits beabsichtigten Scheidung geschlossenen Eheverträgen nicht dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterworfen werden, wenn ein nach der gesetzlichen Regelung stattfindender Versorgungsausgleich von beiden Ehegatten nicht gewünscht wird, soweit dies mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs vereinbar ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn beide Ehegatten während der Ehezeit vollschichtig und von der Ehe unbeeinflusst berufstätig waren und jeder seine eigene Altersversorgung aufgebaut oder aufgestockt hat, wobei aber der eine Ehegatte aus nicht ehebedingten Gründen mehr Versorgungsanrechte erworben hat als der andere (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – XII ZB 303/13 – FamRZ 2014, 629 Rn 28  f.).