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Das OLG München hat 13.08.2018 beschlossen, dass für die Beurteilung der von den Ehegatten getroffenen Anordnung der Wille der beiden Ehegatten allein im Zeitpunkt der Testamentserrichtung  maßgebend ist (OLG München, Beschluss vom 13. August 2018 – 31 Wx 49/17 –, juris).

In dem entschiedenen Fall hatten Ehegatten mit der Formulierung („Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein“) den Fall des Erstversterbens des jeweiligen Ehegatten geregelt. Daneben hatten sie mit der Formulierung („Der überlebende Ehegatte bestimmt den „Nacherben“ (richtig wohl: Schlusserben) gerade keine Anordnung für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten getroffen, sondern die Regelung der Erbfolge nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten bewusst offen gelassen.

Damit blieb der Fall des Ablebens des überlebenden Ehegatten ungeregelt. Aus diesem Grunde trat grundsätzlich bei einem Ableben des überlebenden Ehegatten im Falle, dass dieser keine weitere letztwillige Verfügung errichtet, gesetzliche Erbfolge nach dem überlebenden Ehegatten ein.

Bei der Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH ZEV 1997, 376; FamRZ 2012, 26).

Entscheidend war daher, welche Fallkonstellationen die Ehegatten – außer einem Nacheinanderversterben – mit der von ihnen gewählten Formulierung geregelt wissen wollten. Hintergrund einer Regelung von Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne diese Regelung mit einer Erbeinsetzung für den Tod des Längerlebenden von ihnen (Schlusserbeinsetzung) zu verbinden, ist, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufällt und dass er über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen kann. Ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht dann für den Fall, in dem es nicht zu einer Beerbung des einen Ehegatten durch den anderen – und zu einer weiteren Verfügung von Todes wegen des überlebenden Ehegatten – kommt, wie auch in Fällen, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben, sei es auf Grund ein und derselben Ursache, z.B. eines Unfalls, sei es auf Grund verschiedener Ursachen, wenn der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr hat, ein Testament zu errichten. In diesem Fall des Versterbens kurz nacheinander würde zwar die gegenseitige Erbeinsetzung greifen, doch hinge es vom Zufall der Reihenfolge des Versterbens ab, ob – wenn keine entsprechende letztwillige Verfügung getroffen wurde – den gesetzlichen Erben des Ehemanns oder den gesetzlichen Erben der Ehefrau das gesamte Vermögen beider Eheleute zufließt. Es ist daher sinnvoll und naheliegend, wenn die Ehegatten die gegenseitige Beerbung anordnen und im Übrigen dem Überlebenden freie Hand lassen wollen, eine zusätzliche Regelung jedenfalls für den Fall zu treffen, dass keiner den anderen überlebt oder der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist (vgl. OLG München NJW-RR 2014, 71).

Die Benennung eines Beispielfalles (z.B. „Unfall“) legt aber auch den Schluss nahe, dass die Ehegatten nicht nur (abschließend) den Fall ihres „gleichzeitigen Todes“ geregelt wissen wollten, sondern auch ein zeitliches Nacheinanderversterben unter der Prämisse, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Vorversterbenden nicht mehr in der Lage ist, eine (weitere) letztwillige Verfügung von Todes zu errichten. An die Feststellung, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr in der Lage war, selbst zu testieren, sind aber strenge Anforderungen zu stellen. Die Feststellungslast, dass trotz Versterbens der Ehegatten im zeitlichen Abstand nacheinander, die Voraussetzungen für die nach der Vorstellung der Ehegatten geregelten Fall des „gemeinsamen Todes“ erfüllt sind, trägt derjenige, der sein Erbrecht darauf stützt.

Ob die Verhinderung des überlebenden Ehegatten betreffend eine eigene Testierung im Nachgang zu dem Ableben des vorverstorbenen tatsächlich vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht generell beantwortet werden. Verschiedene Kriterien („Länge des Zeitraums, der zwischen den Todeszeitpunkten liegt, Trauerphase, organisatorischer Aufwand, Länge der Ehe, gesundheitliche Situation und das Alter des überlebenden Ehegatten“) können grundsätzlich taugliche Anknüpfungspunkte für die Würdigung einer Verhinderung des überlebenden Ehegatten an einer neuen Testierung sein.

Jedoch ist es nicht ausreichend, für die Bejahung einer Verhinderung des überlebenden Ehegatten an einer Testierung auf diese Kriterien in abstrakt-genereller Weise abzustellen. Vielmehr bedarf es der Feststellung ihrer konkreten Ausprägung im jeweiligen Einzelfall. So kam z.B. allein dem Alter (z.B. 91 Jahre) der Erblasserin bei Tod ihres Ehemannes ohne Feststellung deren Auswirkung auf ihre geistig-körperliche Verfassung keine Aussagekraft für eine Verhinderung zu. Gleiches gilt für die pauschale Würdigung der Trauerphase, ohne dass Ermittlungen durchgeführt wurden, wie der überlebende Ehegatte im konkreten Fall den Tod des Ehepartners verarbeitet hat. Insofern bedarf es der konkreten Feststellung der Lebenssituation des überlebenden Ehegatten im Zeitraum zwischen Tod des vorversterbenden Ehegatten und seines eigenen. Erst dann kann eine Gesamtwürdigung der geistig-körperlichen Verfassung der Erblasserin erfolgen.