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Die in einem wechselbezüglichen Ehegattentestament verfügten gegenseitigen Erbeinsetzungen werden bei der Ehescheidung mangels eines festgestellten Fortgeltungswillens unwirksam. Ist im Ehegattentestament im Rahmen einer mit einer Öffnungsklausel verbundenen Schlusserbeneinsetzung ein gemeinsamer Abkömmling als Schlusserbe eingesetzt worden, so kann sich dieser (bei insoweit unterstelltem Fortgeltungswillen nach § 2268 Abs. 2 BGB) nach der Scheidung der Testierenden mangels einer die Schlusserbeneinsetzungen betreffenden Wechselbezüglichkeit nicht auf die Bindungswirkung der §§ 2270, 2271 BGB berufen, wenn der Erblasser nach der Ehescheidung in einem Erbvertrag die Schlusserbeneinsetzung widerruft und einen Dritten als Alleinerben einsetzt (vgl. LG München I, Beschluss vom 30. Juni 2008 – 16 T 567/08 –, juris).

In dem von dem Landgericht München entschiedenen Fall wurden die gegenseitigen Erbeinsetzungen mangels Fortgeltungswillen nach §§ 2268 Abs. 1, 2077 BGB unwirksam.

Das Gericht folgte auch nicht der Ansicht des Amtsgerichts, dass der Schlusserbfall noch gar nicht eingetreten sei, weil die zunächst begünstigte Ehefrau des Erblassers noch lebe. Da die Schlusserbeneinsetzung eine Ersatzerbeneinsetzung ist für den Fall, dass der zunächst eingesetzte Erbe wegfällt, und da die Erbeinsetzung der zunächst begünstigten Ehefrau durch die Ehescheidung weggefallen war, kam der Eintritt des Schlusserbfalles durchaus in Betracht.

Ob auch die Schlusserbeneinsetzung des Kindes aus erster Ehe durch den Erblasser nach § 2268 Abs. 1 BGB unwirksam geworden ist, oder ob diese Verfügung gemäß § 2268 Abs. 2 BGB auch nach der Ehescheidung fortgelten sollte, konnte nach Ansicht des Landgerichts dahinstehen.

Denn auch wenn sie durch die Ehescheidung nicht unwirksam wurde, so hinderte sie doch den Erblasser nicht daran, die zweite Ehefrau als Alleinerbin einzusetzen.

Das Gericht nahm insoweit an, dass die Erbeinsetzung der Tochter aus erster Ehe nicht mehr wechselbezüglich war.

Bei der Auslegung der Verfügung ist der wirkliche Wille des Erblassers unter Heranziehung aller Umstände zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Es geht um die Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Auch Äußerungen der Erblasser über die von ihnen gewünschte Erbfolge sind zu berücksichtigen (vgl. BayObLG NJW-RR 1992, 73/74), soweit sie Rückschlüsse auf den Willen bei Errichtung der letztwilligen Verfügung zulassen (vgl. BayObLG FGPrax 00, 70). Bei Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament ist zusätzlich zu prüfen, ob eine nach dem Verhalten eines Ehegatten mögliche Auslegung auch dem Willen des anderen Ehegatten entsprochen hat (§ 133, 157 BGB; vgl. zu allem BGH NJW 1993, 256 und BayObLG 1995, 197/201).

Im Testament fanden sich hierzu keine Anhaltspunkte. Grundsätzlich ist von der Lebenserfahrung auszugehen, dass Eltern ihre gemeinsamen Kinder nicht deshalb jeweils als Erben einsetzen, weil sie auch vom jeweils anderen eingesetzt werden, sondern weil es ihre Kinder sind (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, § 2270, Rn. 8; BayObLG FGPrax 2001, 248).

Etwas anderes kann sich indes aus dem Willen der Beteiligten bei Testamentserrichtung ergeben.  Die Vernehmung der damaligen Ehefrau ergab aber, dass eine Wechselbezüglichkeit zwischen den beiden Schlusserbeneinsetzungen nicht gewollt war. Die Zeugin hob hervor, dass die Tochter des Erblassers der „Augenstern“ ihres Vaters war und dass sie von ihm besonders geliebt worden sei. Das Motiv zur Einsetzung der Tochter als Schlusserbin sei beiderseits der Umstand gewesen, dass es sich um die einzige gemeinsame Tochter gehandelt habe. Aus dieser Aussage ergab sich deutlich, dass der Erblasser und die Zeugin die Tochter nicht deshalb als Schlusserbin eingesetzt hatten, weil sie vom jeweils anderen ebenfalls eingesetzt worden war, sondern deshalb, weil es sich um das eigene Kind handelte.

Auch der von der Zeugin bekundete Wille des Erblassers zur Absicherung der Tochter ist nicht ausreichend zur Annahme einer Wechselbezüglichkeit zwischen den beiden Schlusserbeneinsetzungen. Von einer Absicherung könnte nämlich nur dann die Rede sein, wenn aufgrund einer Wechselbezüglichkeit eine Bindungswirkung nach § 2271 Abs. 2 BGB entstehen kann. Eine solche Bindungswirkung wurde aber in dem Testament gerade ausgeschlossen. Damit lag keine Wechselbezüglichkeit zwischen den beiden Schlusserbeneinsetzungen vor.

So dass die Schlusserbeneinsetzung der Tochter aus erster Ehe durch den späteren Erbvertrag mit der zweiten Ehefrau wirksam widerrufen.