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Nach der herrschenden Meinung hat jeder Miterbe das Recht zum Widerruf einer von dem Erblasser erstellten, über den Tod hinaus wirksamen Vollmacht. Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten für die anderen Miterben wird dadurch aber nicht berührt und bleibt bestehen. Eine wirksame Vertretung ist insoweit weiter möglich. Der Bevollmächtigte kann nach dem Widerruf eines Miterben folglich nicht mehr über einzelne Nachlassgegenstände nach überwiegender Ansicht verfügen. Er muss dann mit den entsprechenden Miterben zusammen handeln.
Allerdings wird in der juristischen Fachliteratur die gegenteilige Ansicht vertreten, wonach der Widerruf der Vollmacht eine Verwaltungsmaßnahme sei, die der Erbengemeinschaft gemäß § 2038 Abs.1 S. 1 BGB grundsätzlich nur gemeinschaftlich zustehe. Hierfür wird angeführt, dass durch die Vollmacht nicht jeder Erbe direkt und einzeln verpflichtet werde, sondern der Nachlass. Da der Bevollmächtigte zur Verfügung allein über den Nachlass als „gesamthänderisches Sondervermögen der Miterben“ berechtigt sei, komme eine Repräsentation der einzelnen Miterben nicht in Betracht.
Die überwiegende Ansicht, wonach der Widerruf auch durch einen einzelnen Miterben erklärt werden könne, bezieht sich auf ein Urteil des BGH vom 24.9.1959 (Az. II ZR 46/59 –, BGHZ 30, 391-399). Der BGH hatte seinerzeit ausgeführt, dass die rechtliche Eigenart der Erbengemeinschaft, die lediglich die gesamthänderische Zusammenfassung der einzelnen Erben darstelle und im Rechtsverkehr nicht wie die Personalgesellschaft als ein geschlossenes Ganzes auftrete, zur Folge habe, dass ein Vertreter nicht die Erbengemeinschaft als solche, sondern immer nur die einzelnen Erben vertreten könne. Die Vollmacht, die Erben einem Miterben erteilen, sei also keine einheitliche Vollmacht, sondern eine Vielzahl von Vollmachten. Dieser Beurteilung entspreche es, dass der Widerruf der Vollmacht nicht eine Verwaltungsmaßnahme im Sinne von § 2038 BGB sei, die nur von allen Erben gemeinschaftlich vorgenommen werden könne, sondern dass der Widerruf eine Angelegenheit eines jeden einzelnen Miterben ist, den jeder jeweils mit Wirkung für sich aussprechen könne.
Für die Mindermeinung spricht, dass die Entscheidung nichts über transmortale Vollmachten aussagt, bei denen die Vollmacht aufgrund einer Ermächtigung des Erblassers fortgeführt wird. Bei dieser könnte also nur der Nachlass und damit die Erbengemeinschaft insgesamt verpflichtet werden, so dass nach sich gute Argumente dafür anführen lassen, dass sich der Bevollmächtigte auf eine von dem Erblasser eingeräumte Rechtsposition berufen kann, die gegenüber der gesamten Erbengemeinschaft wirkt. Aus diesem Grunde könnte mit der Mindermeinung auch vertreten werden, dass die Erbengemeinschaft die Vollmacht gegen sich gelten lassen muss und sie auch nur als Erbengemeinschaft den Widerruf erklären kann, weil der Bevollmächtigte nicht den einzelnen Erben, sondern die Erbengemeinschaft vertritt.
Allerdings ist der Bevollmächtigte im Innenverhältnis nicht unbeschränkt berechtigt. Er ist an den Auftrag des Erblassers und später an einen Auftrag der Erbengemeinschaft gebunden. Handelt er mit der Vollmacht ohne einen Auftrag zum Schaden der Erbengemeinschaft, kann seine Handlung wirksam sein: Er macht sich aber schadensersatzpflichtig.