Lässt der Erbe die sechswöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB verstreichen, muss er sich dieses Unterlassen nach der gesetzlichen Fiktion des § 1943 Halbsatz 2 BGB als Annahme der Erbschaft zurechnen lassen. Mit dieser Fiktion geht die Erbschaft nach dem im deutschen Erbrecht geltenden Anfallsprinzip automatisch auf den nicht bzw. nicht rechtzeitig ausschlagenden Erben über. Denn die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB ist eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Hieran lässt der Wortlaut des § 1944 Abs. 1 BGB („Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen“) keinen Zweifel.
Weil das Gesetz nicht nur bei einer ausdrücklichen Annahmeerklärung, sondern auch bei einer Versäumung der Ausschlagungsfrist von einer Annahme der Erbschaft ausgeht, müssen dem konkludent durch Versäumung der Ausschlagungsfrist annehmenden Erben die gleichen Rechte zustehen wie dem ausdrücklich annehmenden Erben. Deshalb ermöglicht § 1956 BGB auch demjenigen, der wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung die Ausschlagungsfrist versäumt hat, die nachträgliche Ausschlagung. Wenn also die Erbschaft gemäß § 1943 BGB als angenommen gilt, dann sind die §§ 119ff BGB auch auf die Fristversäumnis anzuwenden.
Die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist bzw. der hierin liegenden konkludenten Erbschaftsannahme hat durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen; und zwar in der von § 1945 BGB vorgeschriebenen Form (§§ 1956, 1955 BGB). § 1945 Abs. 1 BGB verlangt eine zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich-beglaubigter Form abgegebene Erklärung, die nach § 1945 Abs. 3 BGB auch durch einen mit einer öffentlich-beglaubigten Vollmacht ausgestatteten gewillkürten Vertreter erfolgen kann. Im Übrigen ersetzt nach § 129 Abs. 2 BGB die notarielle Beurkundung die von § 1945 BGB vorgeschriebene öffentliche Beglaubigung.
Ist die 6-Wochen-Frist der §§ 1956, 1954 Abs. 1 BGB zur Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB abgelaufen, kommt keine Wiedereinsetzung in Betracht (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 12. Oktober 2015 – 6 W 364/15 –, juris). Eine Wiedereinsetzung in die abgelaufene Anfechtungsfrist kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Frist als materielle Ausschlussfrist ebenso wie die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB durch das Nachlassgericht nicht verlängert werden kann (Najdecki in Burandt/Rojahn, ErbR, 2. Aufl., 2014, Rz. 1 zu § 1944). Die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Verfahrensordnungen – sei es die ZPO oder das FamFG – haben nur das gerichtliche Verfahren, nicht hingegen das materielle Recht zum Gegenstand. §§ 17 bis 19 FamFG finden ebenso wie §§ 233ff. ZPO auf die Versäumung von Fristen im gerichtlichen Verfahren (Rechtsmittelfristen etc.) Anwendung, nicht hingegen auf die Versäumung materiellrechtlicher Fristen.