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Ein Leistungsausschluss, demzufolge sich der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden „durch Schwamm“ erstreckt, gilt für alle Arten von Hausfäulepilzen und erfasst gerade auch den Schwammbefall als Folge eines versicherten Leitungswasseraustritts.

In der Umgangssprache werden mit dem Begriff „Schwamm“ im Zusammenhang mit Gebäuden pflanzliche Holzzerstörer bezeichnet, bei denen es sich vorwiegend um Pilze – sogenannte Bauholz- oder Hausfäulepilze – handelt. Die bekanntesten Arten sind der Echte Hausschwamm, der Braune Kellerschwamm, der Porenschwamm und verschiedene Blattlinge (vgl. dazu Sblowski, r+s 1992, 314). Daneben gibt es zahlreiche weitere Arten (dazu und zu ihrer Verbreitung in Gebäuden in Deutschland und anderen europäischen Ländern vgl. Huckfeldt unter www. Hausschwamminfo.de).

In der Rechtssprache findet sich keine Definition des Begriffs „Schwamm“. Allerdings enthalten die Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden gegen Schäden durch Schwamm und Hausbockkäfer (SchHB 85 – veröffentlicht in VerBAV 1986, 222) eine katalogartige Aufzählung von pflanzlichen Schädlingen, welche dem dortigen Versicherungsschutz gegen Schwammschäden unterfallen sollen. Danach zählen zu den dort bedingungsgemäßen Schwämmen: der Echte Hausschwamm, der Kellerschwamm, der Porenschwamm und der Blättling (Sblowski aaO).

Der Klauselwortlaut „Schäden durch Schwamm“ gibt damit keinen Anhalt für eine Beschränkung auf einzelne oder wenige besonders gefährliche Arten von Hausfäulepilzen. Soweit Sblowski (aaO) anregt, für die Auslegung unter anderem des § 9 Nr. 4 Buchst. e VGB 88 den vorgenannten Katalog der SchHB 85 heranzuziehen, verkennt er, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Wohngebäudeversicherung dieses anderweitige Bedingungswerk weder kennt noch kennen muss, es deshalb auch nicht zum Verständnis des Leistungsausschlusses für Schwammschäden heranzieht (Hoenicke in Veith/Gräfe, Versicherungsprozess 2. Aufl. § 2 Rn. 217 Fn. 421; Wälder in Halm/Engelbrecht/Krahe, Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht 3. Aufl. Kap. 9 Rn. 661).

Das Landgericht Detmold (r+s 1992, 173 – zu § 4 Nr. 3 Buchst. f VGB 62) hat deshalb angenommen, „Schwamm“ bezeichne alle holzzerstörenden Pilze.

Diese Auffassung trifft nach Ansicht des BGH zu (BGH, Urteil vom 27. Juni 2012 – IV ZR 212/10 –, juris).

Zwar erwartet der durchschnittliche Versicherungsnehmer von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und – soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben – lückenlosen Schutz (Senatsurteile vom 25. März 1998, r+s 1998, 203 unter 3 c aa [juris Rn. 25]; vom 16. Juni 1993, r+s 1993, 349 unter I 3 b [juris Rn. 27]). In dieser Erwartung sieht er sich durch den weiten Bedingungswortlaut des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6 VGB 2001 bestätigt.

Dieses Hauptleistungsversprechen des Versicherers, einen – grundsätzlich umfassenden – Ausgleich für durch Leitungswasser verursachte Schäden am versicherten Gebäude zu gewähren, schränkt die Ausschlussklausel in § 6 Nr. 3 Buchst. d VGB 2001 ein, indem sie die durch Schimmel verursachten Schäden ausnimmt. Solche lediglich leistungsbeschränkenden Klauseln sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats kontrollfähig.

Nicht jede Begrenzung dieses Leistungsversprechens bedeutet allerdings für sich genommen eine Vertragszweckgefährdung. Vielmehr bleiben Leistungsbegrenzungen zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen weckt (Senatsurteil vom 20. Juli 2011, r+s 2011, 467; Senatsbeschlüsse vom 6. Juli 2011, r+s 2012, 192; vom 11. Februar 2009, r+s 2009, 248 m.w.N.). Eine Gefährdung des Vertragszwecks liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht.

Vertragszweck der Leitungswasserversicherung ist die Entschädigung für durch Leitungswasser beschädigte versicherte Sachen (vgl. BGH vom 27. Juni 2012,  r+s 2012, 490). Dieser Zweck wird dann in Frage gestellt, wenn regelmäßige oder zwangsläufige Folgeschäden eines zunächst unerkannt gebliebenen Leitungswasserschadens von der Deckung ausgeschlossen werden.

Zwar gibt es keinen Rechtssatz, wonach in der Wohngebäudeversicherung in jedem Falle sämtliche Folgeschäden vom Versicherungsschutz umfasst sein müssten, so dass der Vertragszweck nicht jede auf derartige Folgeschäden bezogene Einschränkung der Leistung verbietet. Dem durch § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6 VGB 2001 vorgegebenen Zusammenhang zwischen Eintritt des Versicherungsfalles und daran geknüpftem Leistungsversprechen kann aber nicht entnommen werden, der „Kernbereich“ der Leitungswasserversicherung sei nur der Ersatz der Kosten für Trocknung, Reparatur oder Wiederherstellung unmittelbar vom Wasser beeinträchtigter Bauteile. Ein Unmittelbarkeitserfordernis im Sinne einer Einschränkung des Versicherungsschutzes auf Schäden, die durch unmittelbare Einwirkung der versicherten Gefahr „Leitungswasser“ auf versicherte Sachen entstanden sind, enthalten die Versicherungsbedingungen – anders als etwa für Blitzschlag und Sturm (§ 5 Nr. 2 und § 8 Nr. 2 Buchst. a VGB 2001) – nicht (vgl. dazu auch BGH, r+s 2005, 290).

Eine Leistungsbegrenzung, die jedwede Leistung auch für typische Folgen eines längere Zeit unentdeckt gebliebenen Leitungswasserschadens ausschlösse, löste sich vom Leistungsversprechen, das eine Kostenerstattung für solche Folgeschäden grundsätzlich einschließt. Sie griffe zudem in die zentralen Leistungserwartungen des Versicherungsnehmers in erheblicher Weise ein und tangierte sein Bedürfnis, sich gegen solche Gefahren zu versichern, bei denen die abstrakte Möglichkeit besteht, dass sie bei der Mehrzahl der Versicherungsnehmer eintreten (vgl. insoweit Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. Einl. Rn. 117). Das führte zu einer einseitigen Begünstigung des Versicherers und zugleich zu einer Vernachlässigung des berechtigten Interesses des Versicherungsnehmers, gerade für solche Schäden Versicherungsschutz zu erhalten, für die er die Versicherung nimmt. Darin läge ein so wesentlicher Eingriff in die Rechte des Versicherungsnehmers, dass der Vertragszweck partiell ausgehöhlt wäre.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen.

Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 1. Juli 2017 – IV ZR 151/15-, juris).

DIN 68800-1 definiert für Holz zerstörende Pilze und deren Ansprüche bezüglich Holzfeuchte:

»Holz zerstörende Pilze verursachen eine Fäulnis und beeinträchtigen die Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften des Holzes bis zu seiner vollständigen Zerstörung. Für ihre Entwicklung benötigen sie eine lokale Holzfeuchte etwa ab Fasersättigung.«

Ob die Gebäudeversicherung bei Pilzbefall die Kosten für die Beseitigung des Schadens zahlt, hängt mithin vom Versicherungstarif und dem konkreten Pilzbefall ab.