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Wie das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 25. September 2020 klargestellt hat, dürfen Vorgesetzte einer öffentlichen Einrichtung nachgeordnete Mitarbeiterinnen nicht mit dem Anschein einer dienstlichen Verpflichtung zum gemeinsamen Verbringen von Freizeit und Alkoholkonsum zu zweit drängen oder in sonstiger Form wie u.a. durch mehrfache unerwünschte nächtliche Nachrichten oder Anrufe für private Interessen in Anspruch nehmen. Dies gilt insbesondere, soweit von Seiten des Vorgesetzten Fragen der Sexualität ohne jeden Bezug zur Arbeitsleistung thematisiert werden. Erkennbar unerwünschte Umarmungen nachgeordneter Mitarbeiterinnen sind zu unterlassen. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls und soweit eine negative Prognose gestellt werden kann, kann eine Verletzung dieser Pflichten eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (Az. 9 Sa 500/20 –, juris).

Das Gericht nahm einen Kündigungsgrund an, der eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt habe.

Eine Kündigung ist nach. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (BAG, Urteil vom 07. Mai 2020 – 2 AZR 619/19 –, Rn. 15, juris m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren nach den Feststellungen des Gerichts zu bejahen.

Die Kündigung genügte den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dies galt sowohl im Hinblick auf die erforderliche negative Prognose als auch in der Gesamtschau der Pflichtverletzungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass eine Kündigung ausscheidet, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB nur dann nicht, wenn bereits erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 05. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 –, Rn. 75, juris). Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen (BAG, Urteil vom 09. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 –, Rn. 31, juris). Diese negative Prognose war hier zu stellen.

Eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters über die Kündigungsfrist hinaus war dem Arbeitgeber in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar. Zugunsten des Mitarbeiters war zwar eine Betriebszugehörigkeit von acht Jahren und damit ein Bestand von nicht unerheblicher Dauer zu berücksichtigen. Weiter war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag beim Aufbau des Betriebs geleistet hatte. Demgegenüber war abzuwägen, dass eine Vielzahl von Pflichtverletzungen vorlag, die auf einer fehlenden Beachtung der Fürsorgepflichten gegenüber nachgeordneten Beschäftigten beruhten und der Mitarbeiter aufgrund seiner Position derjenige war, der für die Einhaltung dieser Pflichten Sorge zu tragen hatte. In der Gesamtabwägung dieser Umstände überwog das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist.