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Durch das Landesarbeitsgericht Köln wurde am 09.04.2019 entschieden, dass der Verfall von Urlaub in der Regel nur eintreten kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Diese Initiativlast des Arbeitgebers ist nicht auf den Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt, sondern bezieht sich auch auf Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren (Urteil vom 09. April 2019 – 4 Sa 242/18 –).

Der gesetzliche Urlaubsanspruch aus § 1 BUrlG ist für die Dauer des Urlaubsjahres befristet, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Grundsätzlich erlischt er mit Ablauf des Kalenderjahres, sofern kein Übertragungsgrund nach  § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG gegeben ist. Bei Vorliegen eines Übertragungsgrundes ist dies spätestens mit dem Ende des Übertragungszeitraums der Fall, § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG. Nach bisheriger Rechtsprechung trat dieser Verfall selbst dann ein, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren. Unter bestimmten Vorrausetzungen konnte der Arbeitnehmer jedoch vom Arbeitgeber insoweit Schadensersatz verlangen.

Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Entscheidung vom 06.11.2018 (C-684/16, juris) bedarf es einer Auslegung des § 7 BUrlG. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Damit obliegt dem Arbeitgeber unter Beachtung von Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/ 788/ EG (Arbeitszeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG kann der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber. Kann er nicht nachweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, verstießen das Erlöschen des Urlaubsanspruchs am Ende des Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeitraums und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – das entsprechende Ausbleiben der Zahlung einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub gegen Artikel 7 Abs.1 und 2 der Richtlinie 2003/ 88 sowie gegen Artikel 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dem liegt der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub zugrunde. Dem Arbeitnehmer soll ermöglicht werden, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit verfügen. Der Arbeitnehmer soll zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen (EuGH vom 06.11.2018 – C- 684/16.

Diese Obliegenheit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer konkret aufzufordern, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt, ist nicht auf den originären Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt, sondern bezieht sich auch auf Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren. Ein anderes Verständnis würde dem Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, insbesondere dem des Gesundheitsschutzes, zuwiderlaufen.