02224-9474-0 mail@dr-roettgen.de

 

Eine Urlaubsbescheinigung verhindert nicht den Verfall der Ansprüche nach vertraglichen Ausschlussfristen.(LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Januar 2025 – 10 Sa 697/24 –, juris)

 

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub besteht nach § 5 Abs. BUrlG, wenn die Arbeitnehmerin die Wartezeit erfüllt hat und in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet. Unstreitig war die Klägerin in der zweiten Jahreshälfte ausgeschieden. Rein rechnerisch bestand das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch länger als sechs Monaten und damit über die Wartezeit hinaus. Für die Berechnung des Urlaubsanspruches ist ebenfalls unbeachtlich, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit durch Kündigung beendet wurde. Gemäß dem Wortlaut von § 4 BUrlG entsteht der volle Urlaubsanspruch mit sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Es ist auf die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung abzustellen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil von 26.11.2014 – 4 Sa 470/14).

 

Nach § 7 Abs. 1 BUrlG hat der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Allerdings ist ein dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch nicht Voraussetzung für dessen Recht, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Die ohne einen solchen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert (BAG, Urteil vom 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 –Rn. 14; BAG, Urteil vom 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 23).

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer Urlaub auch vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Eine wirksame Urlaubsgewährung setzt in diesem Fall jedoch voraus, dass der Arbeitgeber trotz der Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Freistellungserklärung eindeutig zum Ausdruck bringt, der Arbeitnehmer werde zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub endgültig von der Arbeitspflicht befreit (BAG, Urteil vom 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 –Rn. 15), und das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlt oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagt.

Diesem Anspruch stand jedoch die zweistufige arbeitsvertragliche Ausschlussklausel entgegen.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch kann als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis von einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel erfasst werden. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG noch die vom EuGH vorgenommene Auslegung von Art. 7 RL 2003/88/EG und Art. 31 II GRCh entgegen (BAG, Urteil vom 24.05.2022 – 9 AZR 461/21 – Rn. 9).

Damit konnte der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin grundsätzlich den vertraglichen Ausschlussfristen unterliegen.

Zu den von dieser Regelung erfassten Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ gehörte auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung, da sich keine sachlichen Einschränkungen in der Formulierung auf bestimmte Ansprüche fanden. Umfasst waren – ohne entsprechende Einschränkung – dann alle vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche, die die Parteien aufgrund ihrer durch Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Ausschlussfristen sind eine weit verbreitete Übung im Arbeitsleben.

Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs entstand mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da der Urlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich in natura zu gewähren war. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Gewährung von Urlaub in natura nicht mehr möglich, so dass sich der Anspruch auf Urlaub in einen Urlaubsabgeltungsanspruch wandelt.

Die vorherige Erhebung der Kündigungsschutzklage wahrt die Ausschlussfrist nicht, da die Geltendmachung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs als Voraussetzung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innehat (BGH U. v. 27.10.2020 – 9 AZR 531/19 – NZW 2021, 504). Die Klägerin hatte mit der von ihr erhobenen Kündigungsschutzklage jedoch das Gegenteil, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses, bezweckt. Zur Geltendmachung eines Anspruchs im Sinne einer Ausschlussfristenregelung muss die Anspruchsinhaberin unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass sie Inhaberin einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Ohne entsprechende Anhaltspunkte, wie bspw. das Stellen einen Hilfsantrag auf Urlaubsabgeltung, ist nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit erkennbar, dass die Arbeitnehmerin (auch) auf die Erfüllung der Ansprüche besteht, die nicht an den rechtlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Die Obliegenheit der (rechtzeitigen) Geltendmachung in Textform des Urlaubsabgeltungsanspruchs während eines laufenden Bestandsschutzverfahrens stellt keine unzumutbare Hürde dar. Die Obliegenheit besteht unabhängig vom Bestandsschutzprozess. Wird der Anspruch im Bestandsschutzverfahren (hilfsweise) geltend gemacht, führt er auch nicht zu einer Streitwerterhöhung. Die Obliegenheiten trifft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine Bestandschutzklage erhoben haben, und solche, die keine erhoben haben, gleichermaßen.

Das Argument, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei auch nicht während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens durchsetzbar, ist zwar richtig, verhindert jedoch nicht die Pflicht zur Geltendmachung in Textform. Die Klägerin hatte durchaus die Möglichkeit, im Kündigungsschutzprozess oder außerhalb des Kündigungsschutzprozesses den Anspruch auf Urlaubsabgeltung schriftlich geltend zu machen und ihn in den Kündigungsschutzprozess im Rahmen eines Hilfsantrages einzubringen. Durchsetzbar wäre er dann bei Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.