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Rechtsanwaltsvertrag: Vertretung von Eheleuten in Bezug auf eine Scheidungsfolgenvereinbarung; Nichtigkeit des Vertrags wegen Verstoßes gegen die Vertretung widerstreitender Interessen; Umfang der Hinweispflicht des Anwalts

 

Vertritt ein Anwalt beide Eheleuten bei dem Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung kann dies gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstoßen. Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus.

Die Vertretung widerstreitender Interessen führt zur Nichtigkeit des Anwaltsdienstvertrags, unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Rechtsanwalts. Dies kann, wenn der Interessengegensatz bereits bei der ersten Entgegennahme der Information zutage tritt, den Wegfall des Honoraranspruchs zur Folge haben.

Die Regelung in § 43a BRAO verbietet dem Rechtsanwalt zwar nicht schlechthin, in derselben Rechtssache mehrere Mandanten zu vertreten. Zulässig ist die Vertretung mehrerer Mandanten, wenn das Mandat auf die Wahrnehmung gleichgerichteter Interessen der Mandanten begrenzt ist. Dabei ist auch die bloße, latente Möglichkeit, dass später unterschiedliche Interessen zu Tage treten, nicht ausschlaggebend. Das Anknüpfen an einen nur möglichen, im konkreten Verfahren tatsächlich aber nicht bestehenden Interessenkonflikt würde gegen das Übermaßverbot verstoßen und wäre deshalb verfassungsrechtlich unzulässig. Die Vertretung mehrerer Mandanten ist dem Rechtsanwalt daher nur dann verboten, wenn dabei nach den konkreten Umständen des Falles ein gemäß den anzuwendenden Rechtsvorschriften typisierter Interessenkonflikt tatsächlich auftritt.

Eine Vertretung widerstreitender Interessen im Sinne von § 43a Abs. 4 BRAO setzt zunächst voraus, dass der Rechtsanwalt bei beiden Tätigkeiten im Kernbereich der rechtsbesorgenden anwaltlichen Berufsausübung handelt. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsanwalt eine Beratungstätigkeit in Bezug auf eine Rechtssache (hier die Scheidungsfolgenvereinbarung) entfaltet. Dabei kann es keine Rolle spielen, wer „formal“ als Mandant auftritt, wer also vom Rechtsanwalt als solcher angesehen wird, weil er zuerst den Kontakt mit dem Anwalt aufgenommen hat bzw. an wen die Honorarrechnung gerichtet wird etc. Denn die oben aufgezeigten, über das individuelle Mandatsverhältnis hinausgehenden Gesichtspunkte der „Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung“ und der „unabhängigen Sachwalterstellung“ als weiterer Schutzzweck des § 43a BRAO hängen nicht davon ab, wer das Mandat erteilt hat und die Rechnung bezahlt. Dies wird bereits daraus deutlich, dass ein Rechtsanwalt nicht für einen Mandanten tätig werden darf, wenn er den Gegner beispielsweise zuvor kostenlos (z.B. „pro bono“), aus Gefälligkeit oder aus welchem Grund auch immer in derselben Rechtssache beraten hat. Es geht deshalb auch nicht an, dass ein Rechtsanwalt über die Angabe des Leistungszeitraums in der Honorarrechnung versucht, eine vorangegangene, mit den Interessen des Mandanten kollidierende Beratung unberücksichtigt zu lassen. Darüber hinaus lässt sich ein objektiv vorhandener Interessenwiderstreit nicht durch den schlichten Hinweis auflösen, der Mandant könne bei der Mandatserteilung selbst bestimmen, in welche Richtung und in welchem Umfang der Anwalt seine Interessen wahrnehmen möge. Zwar werden die Mandatspflichten eines Anwalts wesentlich durch den ihm erteilten Auftrag bestimmt. Der Anwalt ist an die Weisungen seines Auftraggebers auch gebunden. Allerdings sind häufig Umfang und Ausgestaltung des Auftrags das Ergebnis der Erstberatung, welche dem Mandanten aufzeigen soll, welche Rechte er hat und wie er sie durchsetzen kann (BGH, Urteil vom 23. April 2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, Rn. 12). Zudem sind Interessenkollisionen für einen Mandanten nicht ohne weiteres erkennbar, denn auch diese Einschätzung erfordert häufig genug juristische Vorkenntnisse.

Der Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen führt i.d.R. zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages gem. § 134 BGB, d.h. der Mandant schuldet grds. kein Anwaltshonorar.