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Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) durch den Tod eines Ehegatten beendet und wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, so kann er gemäß § 1371 Abs. 2 BGB Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB verlangen. Diese Vorschriften für den Ausgleich des Zugewinns gelten nach § 1372 BGB auch, wenn der Güterstand auf andere Weise als durch den Tod eines Ehegatten, also etwa durch Ehescheidung, beendet wird. In beiden Fällen unterliegt die Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten und deren Erfüllung nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, wie § 5 Abs. 2 ErbStG klarstellend regelt.

Wird im Todesfall der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, weil der überlebende Ehegatte Erbe wird oder ihm ein Vermächtnis zusteht, gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Betrag, den der überlebende Ehegatte nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG. Obwohl in diesem Fall dem überlebenden Ehegatten güterrechtlich keine Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB zusteht, wird eine solche für die Erbschaftsteuer fiktiv errechnet und vom Erwerb abgezogen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bewirkt danach, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG getroffenen Sonderregelungen zu dem Anteil nicht mit Erbschaftsteuer belastet wird, der ihm bei einer gedachten güterrechtlichen Lösung als Ausgleichsforderung zugestanden hätte (BFH, BFHE 210, 455, BStBl II 2005, 873). Der über diese fiktive Ausgleichsforderung hinausgehende Erwerb unterliegt der normalen Besteuerung (BFH, BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510). Damit wird eine Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten erreicht, soweit § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG nichts anderes bestimmen. Diese Angleichung setzt voraus, dass der fiktive Zugewinnausgleichsanspruch nach denselben zivilrechtlichen Grundsätzen berechnet wird wie ein tatsächlich geltend gemachter. Für die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist dabei vorrangig die Rechtsprechung des BGH als des für Familienrecht zuständigen obersten Gerichtshofs des Bundes maßgebend.

Durch die Geldentwertung eingetretene, nur nominelle Wertsteigerungen des Anfangsvermögens und der Vermögensgegenstände, die diesem zuzurechnen sind, führen nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu einem Anspruch auf Zugewinnausgleich (BGH, NJW 1984, 434; BGHZ 101, 65). Der durch den Kaufpreisschwund des Geldes verursachte, unechte Zugewinn ist nach dieser Rechtsprechung dadurch von der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung auszunehmen, dass die nach § 1374 Abs. 1 BGB anzusetzenden Anfangsvermögen beider Ehegatten mit dem Preisindex für die Lebenshaltung bei Beendigung des Güterstandes multipliziert und durch den Index bei Beginn des Güterstandes dividiert werden. Bei den dem Anfangsvermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnenden Vermögensgegenständen ist statt des Preisindexes bei Beginn des Güterstandes der für den Zeitpunkt des Erwerbs maßgebende zu berücksichtigen. Die Inflationsbereinigung ist auch geboten, soweit Geldforderungen oder Geldschulden betroffen sind (BGH, BGHZ 109, 89).

Die Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich verstößt nicht gegen das Nennwertprinzip (Nominalismus). Aus diesem der Währungsordnung zugrunde liegenden Prinzip folgt, dass Geldbetrags- oder Geldsummenschulden zum Nennwert in der gesetzlichen Währungseinheit erfüllbar sind. Im vorliegenden Zusammenhang geht es aber nicht um diese Fragestellung, sondern um den Vergleich von zeitlich auseinander liegenden Vermögenslagen und die dem Sinn der Zugewinngemeinschaft entsprechende Berücksichtigung der Geldentwertung zwischen den Bewertungszeitpunkten (BGH, BGHZ 61, 385, 392).

In der Praxis hat sich die Rechtsprechung des BGH allgemein durchgesetzt. Sie wird in der Literatur heute weit überwiegend gebilligt (Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., § 1376 Rz 9 f.; MünchKommBGB/ Koch, 4. Aufl., § 1373 Rz 5 ff.; Finke in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1376 Rz 17 ff.; Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1376 Rz 25 ff.; J. Mayer in Bamberger/Roth, BGB, § 1376 Rz 39 ff.; Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 1376 Rz 11; Limbach in Anwaltkommentar zum BGB, § 1376 Rz 37 ff.; Weinreich in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 1374 Rz 6 ff.; Jaeger in Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1376 BGB Rz 20 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., S. 408 f.; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl., S. 1517 ff.).

Der Geldwertschwund ist nicht nur bei der Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch Ehescheidung, sondern auch bei der Beendigung durch den Tod eines Ehegatten zu berücksichtigen. Wie bereits dargelegt, gelten für die Berechnung des Zugewinnausgleichs in beiden Fällen die Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB, die u.a. den Zugewinn, das Anfangsvermögen, das Endvermögen und die Wertermittlung des Anfangs- und Endvermögens betreffen. Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es bei der Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten auch nicht an einer unterschiedlichen Interessenlage; sie besteht in diesem Fall zwischen dem überlebenden Ehegatten, der nicht Erbe wird und dem auch kein Vermächtnis zusteht, und dem/den ausgleichspflichtigen Erben.

Die Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich ist auch für die Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG maßgebend (ebenso Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 5 Rz 33; Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 5 ErbStG Rz 26; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 5 Rz 35; Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 5 Rz 19 f.). Nur so lässt sich die von § 5 Abs. 1 ErbStG gewollte Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten erreichen. Nach dieser Vorschrift soll der nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG geltende Anspruch auf den fiktiven Zugewinnausgleich vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG getroffenen Sonderregelungen dem Anspruch entsprechen, der sich bei einem tatsächlich durchgeführten güterrechtlichen Zugewinnausgleich ergäbe. Bei Letzterem bestünde aber der Ausgleichsanspruch nur in dem Umfang, der durch die vom BGH vorgenommene Gesetzesauslegung bestimmt wird. Dies schließt die Indexierung ein.

Bei der Berechnung des fiktiven Anspruchs auf Zugewinnausgleich nach § 5 Abs. 1 ErbStG sind mithin die Anfangsvermögen und die diesen hinzuzurechnenden späteren Erwerbe zum Ausgleich der Geldentwertung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH zu indexieren (BFH, Urteil vom 27. Juni 2007 – II R 39/05 –, BFHE 217, 248, BStBl II 2007, 783)